Art of Life

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Führung ist Beziehung

Kollaboration, voneinander Lernen und vor allem Empathie werden die Fähigkeiten sein, auf die es in den nächsten Jahren darauf ankommt. Was Empathie im Führungskontext bedeutet, darum geht es in diesem Beitrag. 

An der italienischen Universität in Parma haben im Jahre 1995 Wissenschaftler um den mittlerweilen berühmten Forscher Dr. Rizzalotti[1] bei einem Versuch eher zufällig aber dafür umso mehr bahnbrechendes entdeckt: Bei Versuchen mit Affen wurden diese an Elektroden anhängt, um die Gehinaktivität und neuronale Struktur zu messen, wenn man diesen Tieren Futter gab. 

Und es war reiner Zufall: als ein Forscher nach dem Futter griff und der Affe es beobachtete, feuerten die die gleichen Neuronen, als wenn der Affe selber Futter nahm. Das erste Mal war der Beweis erbracht, dass die reine Beobachtungen eines Geschehens, die gleiche neuronale Reaktion nach sich zieht, wie wenn man es selber durchführen würde. 

Dieses Experiment hat man dann bei Menschen genauso durchgeführt, mit dem gleichen Ergebnis. Damit war der neurobiologische  und chemische Nachweis erbracht:  wir Menschen Wesen sind, die sich miteinander verbunden sind, sich in andere Menschen einfühlen können und damit die Empathie leben können. 

Was ist Empathie?

Das Wort Empathie geht zurück auf das altgriechische Wort empátheia. Es bedeutet „intensive Gefühlsregung“, gibt aber nicht den Bedeutungsinhalt des modernen Terminus im fachsprachlichen Gebrauch wieder. Dieser wurde erstmals in diesem Zusammenhang vom Psychologen  Edward B. Titchener im Jahr 1909 mit dem Ausdruck empathy verwendet.  

Empathie ist die Fähigkeit die Erlebniswelt des anderen Menschen wahrzunehmen und zwar kognitiv, emotional und sozial. Menschen nehmen andere Menschen dabei auf verschiedenen “Kanälen” war, ohne sich dabei selber “zu verlieren”. Oft wird Empathie mit Sozialromantik verwechselt oder als “Weicheimanagement” abgetan. Ebenso oft wird darunter verstanden, mit allem einverstanden zu sein und jeder Meinung zuzustimmen. Empathie heißt auch nicht immer Recht zu geben oder alles verstehen zu müssen. Das ist es aber nicht !

Im Gegenteil: ich kann durchaus anderer Meinung sein, ebenso glasklar Grenzen zu setzen, aber aus einer Haltung heraus, dass ich den anderen Menschen „verstehe“ (seine Erlebniswelt wahrnehme).

Die Frage ist nun, warum dann 85% von befragten MitarbeiterInnen ein toxisches Führungsverhalten, sprich ein extrem empathieloses Führungsverhalten, wahrnehmen ?

Was sind die Ursachen mangelnder Empathie?

Der englischen Kinderanalytiker Donald W. Winnicott beschreibt Empathie als eine natürliche Fähigkeit, durch die die Mutter spüre, was der Säugling im Hinblick auf die Befriedigung seiner  Bedürfnisse brauche. In gelungenen Interaktionen der Versorgung des Säuglings ist zu beobachten, dass die Bedürfnisse schon in der Entstehung gespürt werden. Es findet ein gesunder, natürlicher und intimer Kontakt statt, das Baby oder später das Kind wird gespiegelt, fühlt sich verstanden und aufgehoben, vor allem verstanden mit der Botschaft: “Ich bin Ok so wie ich bin”.

Wenn diese existentiellen frühkindlichen Erfahrungen fehlen und das Baby eine „gefühlte Ablehnung“ seitens der Mutter oder des Vaters wahrnimmt, kann es zu massiven Verletzungen führen, was die spätere Empathiefähigkeit stark beeinflusst.  

Oder es können in der Erziehung massive Erfahrungen der Manipulation stattfinden, wie z.B. die Botschaft, dass ich als Kind immer was leisten oder tun muss, damit ich Liebe oder Anerkennung bekomme.

Beispiele für mangelnde Empathie

Eine der schlimmsten und invasivsten Manipulationen sind Sätze wie: „Mami ist traurig weil du nicht folgst“,  "Papi ist ganz einsam, weil du nur draußen spielen willst“. Das Verhalten des Kindes wird wie eine Ware eingesetzt und manipuliert, damit die Eltern ein ganz bestimmtes Ergebnis erzielen - Anerkennung"!

Unabhängig davon gibt es aber mittlerweile auch ganz aktuelle Forschungen die auf hirnorganische Dysfunktionen im Bereich des Frontallappens hinweisen, die Empathielosigkeit verursachen. Ein Defizit im limbischen System, sowie in den neokortikalen und frontalen Strukturen des Gehirns können verantwortlich für soziale Defizite sein.

Letztlich gibt es viele Untersuchen, die auch die aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen dafür als Ursache nennen. 

Was hat das alles nun mit Führung zu tun?

Meiner Meinung und Erfahrung nach ist Führungsarbeit im Grunde nichts anderes als Beziehungsarbeit. Damit ich Menschen begleiten und sie führen kann, muss ich die Fähigkeit haben wahrzunehmen, wo sie gerade stehen. Das kann ich aber nur im Fühlen, in der Beobachtung und daher in Empathiefähigkeit tun. Dafür reichen Typologietests, einfache Onlinekonzepte oder Optimierungskurse nicht.

Warum ist es gerade für Führungskräfte so wichtig ? Es gibt quasi keine Aufgabe, die davon nicht betroffen ist:

-       Teamführung:  Gerade im Setting mit unterschiedlichen Persönlichkeiten ist Empathie eine der wichtigsten Fähigkeiten von Führungskräften. Nur wenn ich jedes Teammitglied und seine Situation wahrnehme, kann ich fördern, fordern und den richtigen Platz im Team finden. 

-       Kundenkontakt: Eine der Kernaufgaben von Unternehmen ist es ganz konkrete reale Probleme der Kunden zu lösen. Dazu erstellen Unternehmen sogenannte „Personas“ um genau herauszufinden, für wen sie welches Problem lösen. Das geht nur mit Empathie. 

-       Sales: Die Zeit der Marktschreier und Billiganbieter ist vorbei, qualitätsvolle Unternehmen versuchen den Kunden zu verstehen, zu helfen und unterstützen ihn. 

-       Produktentwicklung: Dies basiert seit einigen Jahren in iterativen Prozessen wie “Design Thinking” oder “Srum”, immer gemeinsam mit den Kunden. Die Basis dafür ist Empathie, da ich in die Erlebniswelt des Kunden eintauchen muss um zu verstehen, wie ich das Produkt entwickeln muss. 

-       Agilität: Die Basis für „New Work“ ist agiles, adaptionsfähiges und eigenverantwortliches Arbeiten, ohne Macht oder Kontrolle. Dafür braucht es Empathie, da ich wissen muss, wo jeder im Team steht. 

Wie kann ich als Führungskraft meine Empathie stärken?

Meiner Erfahrung nach geht dies nicht mit dem Lesen von Büchern oder dem Besuch von Seminaren. Es braucht Beziehungen mit anderen Menschen, mit denen ich mich ernsthaft, offen, mutig und ehrlich weiterentwickeln möchte. Ich habe in meinem Leben zwei wichtigen Quellen und Möglichkeiten gefunden, meine Empathiefähigkeit weiter zu entwickeln: die Geburt und Erziehung meines Sohnes, sowie die Erfahrung in Gruppen mit anderen Menschen, auf die ich hier kurz eingehen möchte:

  • Gruppen bieten eine sehr effektive Möglichkeit für Selbsterfahrung. Aber nicht in Gruppen, wo nur über Fußball oder den nächsten Urlaub geredet wird. Sondern dort wo man sich zeigt, wo man Risiken eingehen kann und wo man ehrliche Rückmeldungen bekommt. Dann kann man sich auch in seiner Verletzlichkeit zeigen, andere können dich wahrnehmen und fühlen, was Empathiefähigkeit stärkt.

  • Gruppen sind Schulen der Wahrnehmung und Beobachtens, da sie meistens emotional aufgeladen sind. Was empfinde ich, wenn jemand was sagt oder löst eine Meinung eines anderen Menschen Reaktionen bei mir aus? Das sind alles Fragen denen man in Gruppen nachgehen, damit sich selber besser kennenlernen kann, vor allem auch seine „blinden Flecken“.

  • Man kann sich in reifen Gruppen „Feedback“ holen und nachfragen, ob man alles richtig verstanden hat oder ob man die Gefühle seines Gegenübers richtig deutet. Ein wunderbarer Weg dafür ist die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach dem Psychologen Marshall B. Rosenberg.

  • Gruppen sind aber auch wunderbar effektive Räume, um sich in andere Rollen hineinzuversetzen. Dabei bietet die Bühnen und Theaterarbeit ein schier unerschöpfliches Reservoir.

Zu all den angeführten Punkten schreiben wir in der Art of Life weitere Blogs, im Wissen und der Überzeugung, dass wir gerade an einer Weggabelung stehen, wo wir uns entscheiden müssen:

Wollen wir den Egoismen, der Soziopathologie und Isolation Raum geben oder fördern wir Empathie, Kollaboration und Verbindung zu anderen Menschen?

Ich bin für letzteres, weil es im Grunde genau das ist, was uns als Menschen weitergebracht hat. 

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Quellen und Literaturtipps

[1] Giacomo Rizzolatti und Corrado Sinigaglia „Empahtie und Spiegelneuronen; Die biologische Basis des Mitgefühls“, 2008

Marschall B.Rosenberg, „Gewaltfreie Kommunikation“ ,
Sattlegger/Neidhöfer,“Wenn die Sehnsucht über die Angst hinauswächst“, 2016

 

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Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse- wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.

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