Wie wir in Zukunft arbeiten

Und was machen Sie beruflich”, noch immer wird in vielen gesellschaftlichen Kreisen der Wert des Menschen über die berufliche Tätigkeit in wichtig oder unwichtig kategorisiert. Die Arbeit als der zentrale Faktor für Leistung und persönliche Identität, oft sichtbar an der Fülle an Bewerbern für einen Job. Letzteres gehört bald der Vergangenheit an, denn der Arbeitsmarkt verändert sich gerade radikal und grundlegend. Was die Gründe für den aktuellen Personalmangel sind, warum Menschen weniger arbeiten wollen und was Führungskräfte jetzt tun müssen, darum geht es in diesem Beitrag.

Führungskräfte bewerben sich bei Kandidaten

Ich kann mich noch gut erinnern, obwohl schon Jahrzehnte zurück. Hunderte Bewerbungsschreiben, nachtelefonieren, „abgeschasselt“ werden oder sich den „Mund wässrig reden“, alles nur um einen Ferialjob zu bekommen. Egal wo und wie, bei einem Praktikum im Sommer ging nichts ohne Vitamin B, mühsam, anstrengend und nicht zu selten erniedrigend, da Organisationen viel zu oft überheblich agierten.

Nun wendet sich das Blatt um 180 Grad, denn nun bewerben sich Unternehmen bei KandidatInnen. Sich anstrengen und etwas bieten müssen, besser sein zu wollen, das gilt nun nicht mehr nur für KandidatInnen, sondern für Arbeitgeber. Das sind wunderbare Nachrichten, nun können sich auch über 50 jährige Arbeitssuchende um Jobs bewerben und haben viel bessere Chancen, erhalten völlig neue Möglichkeiten sich weiter zu entwickeln.

Was sind nun die Gründe für diese Entwicklungen?

  • Demographischer Wandel

Ich bin immer wieder erstaunt, wenn Arbeitgeber im Staccato klagen - “Wir bekommen keine Mitarbeiter”. Bereits in den Jahren 1995 und 2005 hat das WIFO in umfassenden Studie darauf hingewiesen, dass wir älter werden, weniger Kinder bekommen und der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter dramatisch zurück geht. Das Thema ist weder neu noch unbekannt, trotzdem schaute die öffentliche Hand lange weg. Und wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung, denn das Problem wird weiter zunehmen.

  • So wird die Bevölkerung im Erwerbsalter zwischen 15 und 64 Jahren in Österreich laut Statistik Austria in den nächsten Jahren um 4,8 Prozent zurück gehen. Im Jahr 2050 sind demnach 47,3 Prozent der Bevölkerung den Erwerbspersonen zuzurechnen, im Jahr 2021 lag dieser Anteil noch bei 51,3 Prozent.

  • Gleichzeitig gibt es in Österreich heuer fast um 100.000 mehr Jobangebote als im letztes Jahr, mit insgesamt 140.000  offene Stellen.

  • Menschen wollen anders arbeiten 

Im Sommer 2001 sind die ersten Meldung einer „Great Resignation oder eines „Big Quit“ aus den USA zu uns gekommen. Millionen von Menschen verlassen ihre Jobs, ohne einen Neuen zu haben. In Deutschland bestätigt nun eine aktuelle Gallup Umfrage diesen Trend:

  • 23 Prozent der Arbeitnehmerinnen in Deutschland möchten innerhalb eines Jahres das Unternehmen wechseln, 42 Prozent in den nächsten drei Jahren.

Oder ein anderer Trend aus dem arbeitssüchtigen China: Tang Ping,  wörtlich „flach liegen“, ist eine Lebensstil- und soziale Protestbewegung in China, die im April 2021 mit einem Beitrag von Luo Huazhong beginnt.  

  • 2016 kündigte der 26-jährige Luo seinen Fabrikjob, postete ein Bild, wo er flach am Boden liegt. Der Blogbeitrag ging viral und der Rest ist Geschichte mit einer neuen Jugendbewegung, die nicht mehr soviel arbeiten möchte und einen einfachen Lebensstil predigt. 

  • In Österreich zeigt eine aktuelle Studie der AK Oberösterreich, dass mehr als die Hälfte der Vollzeitkräfte (54 Prozent) weniger Stunden als vertraglich vereinbart arbeiten möchte.

Das bedeutet meiner Meinung aber nicht, dass Menschen weniger arbeiten, sondern einfach nur anders arbeiten wollen, was auch zahlreiche Studien untermauern.

New Work - wie Menschen arbeiten wollen

Vor allem junge Menschen, egal wo und in welcher Kultur, verlangen heute mehr Freizeit, oft in Form einer 4 Tage Woche, hohe Flexibilität und eine Unternehmenskultur, die für Entwicklung und Lernen steht. Jeder der Kinder beobachtet weiss es - wir Menschen sin explorativ, wir wollen lernen, sind neugierig und wollen uns entwickeln. Und seit C.G. Jung, seiner Arbeit mit Träumen und der Individuationstheorie wissen wir, dass Lernen und Entwicklung ist in uns angelegt, was im Laufe des Lebens leider oft verloren geht.

  • Daher wollen Menschen lernen, sich entwickeln und autonom, eigenverantwortlich, sinnorientiert und den eigenen Fähigkeiten folgend arbeiten, denn dann wird Lernen möglich. Wenn sich Unternehmen dem nicht stellen werden, dann bekommen sie keine MitarbeiterInnen mehr und verlieren die Guten.

  • Mitarbeiterinnen wollen darüberhinaus eine gute Beziehung zur Führungskraft und dem Unternehmen. Wenn diese Bindung gegeben ist, dann beabsichtigen 95 Prozent in einem Jahr noch bei den jeweiligen Unternehmen zu arbeiten, 82 Prozent wollen auch noch in drei Jahren dort sein. (Gallup)

Ich bin davon überzeugt, dass Menschen nicht fauler oder bequemer geworden sind, aber sie wollen anders arbeiten. Aber so sind viele Arbeitsplätze in unserer westlichen Kultur nicht angelegt. Dort herrscht nach wie vor viel zu oft Kontrolle, Hierarchie, Misstrauen, Frustration und viel zu oft Komfortzonen.

Was Führungskräfte tun können 

Unternehmen stürzen sich gerade in “Employee Branding Projekte”, nehmen coole Videos auf oder schmücken sich mit Great Place to Work Lorbern - “Wir sind ein attraktiver Arbeitgeber”. Menschen spüren aber sehr genau, ob dies nur aufgesetzt ist oder auch tatsächlich gelebt wird.

  • Denn eine reife Unternehmenskultur und Führung, eine lernende Organisation mit Entwicklungsmöglichkeiten braucht man nicht zu bewerben, die fühlt man und nimmt man im Unternehmen sofort wahr, sofern man seine Sensoren offen hat. Denn gemessen wird dies nicht an schönen Marketingworten, sondern an den Handlungen, den Entscheidungen und der Kommunikation, die jeden Tag vor allem von den Führungskräften gelebt werden.

Wertschätzung ist der wichtigste soziale Treibstoff in Unternehmen, denn der Mangel an Wertschätzung ist der Hauptgrund für die Great Resignation, was die Untersuchungen dazu bestätigen. Wertschätzung ist aber nichts was man in einem NLP Seminar lernen oder durch billige Tricks erwerben kann, noch was  zu Manipulationszwecken eingesetzt werden kann. Wertschätzung gelingt nur mit einem natürlichen Interesse am anderen Menschen und nicht um den anderen Menschen „zu missbrauchen. 

Der Schlüssel für den Erfolg von Morgen sind Adaption und Lernfähigkeit, sich rasch auf veränderte Rahmenbedingungen einzustellen. Dafür sind das Lernen von Anderen und der strukturelle Rahmen dazu ein entscheidender Faktor. Dafür braucht es Vertrauen, Neugier und Offenheit auf der einen Seite, auf der anderen Seite die technischen Möglichkeiten. Bei unseren Silicon Valley Lernreisen haben wir erfahren, wie dieses Upskilling und Reskilling im Organisationsalltag möglich wird.

  • Ein Beispiel dafür ist das Start Up Guild als Bildungsplattform, die MitarbeiterInnen weiterqualifiziert. Andere Beispiele sind Articulate, Degreed oder Workera , alles Plattformen zur Weiterbildung von Arbeitskräften, die sehr niedrigschwellig Lernen zu ermöglichen.

Ausblick

Wir leben in herausfordernden Zeiten, die vielen Angst macht. Aber es liegt auch eine Zeit voller Möglichkeiten vor uns. Wir sind weniger Menschen im erwerbsfähigem Alter, Jobprofile ändern sich dramatisch, automatisierte Tätigkeiten werden ersetzt, aber:

  • alle zwischenmenschlichen Fähigkeiten wie Kreativität und Beziehungsfähigkeit werden dringend gebraucht. Der der arbeiten und sich entwickeln will, der kann dies in Zukunft in unendlicher Fülle. Und zwar nicht monoton, hierachisch oder fremdbestimmt, sondern eigenverantwortlich, autonom und sinnorientiert.

Mehr geht nicht, ich freue mich darauf .

Autor: Werner Sattlegger, Founders Art of Life

Tip: Silicon Valley Lernreise, Montag, 26.Juni - 30. Juni 2023

Lesetipps:

Werner Sattlegger: “Die Kunst reifer Führung”, 2022

 

Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.