KI basierte Qualitätskontrolle

In den letzten Wochen haben wir im Silicon Valley viele unterschiedliche Entwicklungen beobachtet, ein Trend ist dabei besonders hervorgestochen: KI basierte Bildverarbeitung und Bilderkennung. Diese kann und wird in den verschiedensten Bereichen wie Sicherheit, Gebäudezugang oder vielem mehr eingesetzt. An dieser Stelle beschreibe ich die Möglichkeiten, wie KI basierte Bildverarbeitung und visuelle Inspektion in der Industrie die Qualitätskontrolle revolutioniert, da sie automatisieret wird. Damit wird Qualität nicht nur wesentlich genauer, sondern auch billiger und schneller.

Genau das haben wir im Rahmen früherer Besuche im Plug and Play Techcenter kennengelernt und zwar in Form des Unternehmens Relimetrics, mit Sitz in Berlin und Palo Alto. Der Gründer ist Kemal Levi, der in seinem PHD an der Stanford Universität so eine Lösung zuerst für den Medizinbereich entwickelt hat. Nun wurde in den letzten Jahren diese Technologie für die Industrie weiterentwickelt mit dem Ergebnis, dass immer mehr Industrieunternehmen diese Lösung zur automatisierten Qualitätskontrolle verwenden, da sie vor allem sehr niedrigschwellig anwendbar ist.

Warum Qualität so wichtig ist

Ich kann mich noch gut an das Mantra eines meiner früheren Arbeitgeber in der Elektronikindustrie erinnern – Zero Defect!

Fehler sind nicht erlaubt und wir tun alles um dies zu verhindern, das war und ist der wichtigste Parameter in vielen Industrieunternehmen, was gut und wichtig ist. Im Management wird zwar im Rahmen von New Work Approaches und Silicon Valley Mindsets in den letzten Jahren das Gegenteil in Form einer positiven Fehlerkultur propagiert: fail fast, scheitere rasch und lerne schnell daraus. Das ist auch der wichtigste Baustein meiner eigenen Lebensphilosophie und so wie wir es in der Art of Life leben, doch muss an dieser Stelle einem eines bewusst sein: das ist nicht in allen Bereichen möglich, sondern in manchen Anwendungen einfach nur gefährlich.

Weder bei einer Herzoperation noch beim Abschluss meiner Jahresbilanz möchte ich gerne Fehler haben, es kann hohe Kosten verursachen, strafrechtlichen Verurteilungen zur Folge haben oder sogar Leben kosten.

Zum Beispiel können durch einen Fehler in Mikrochips beim Kunden von Bandstillständen bis hin zu brennenden Handys alles mögliche verursacht werden, was dramatische Folgen nach sich ziehen kann.

Dies hat dazu geführt, dass gerade die Elektronikindustrie kostengünstig, zuverlässig und reproduzierbar automatisierte Lösungen für die Qualitätsprüfung dringend braucht und nun auch findet, denn moderne Deep-Learning-Modelle (DL) bieten noch nie dagewesene Entwicklungsmöglichkeiten.

Hochgenau, schnell und generalisierbare Lösungen sind dabei gefragt, die folgende Herausforderungen bewältigen können:

Anforderung an KI basierte Qualitätskontrolle

  • Hohe Bildqualität im Mehrkanalformat und Erfassung ohne Produktionsunterbrechung

  • Robustheit gegenüber Produktionslinie & Prozessinstabilitäten

  • Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Produkte

  • Mehrfache und unterschiedliche Inspektionen pro Artikel

  • Prozessüberwachung in der Fertigung und Wechselwirkung

  • Generalisierbarkeit der KI-Modelle

Das ist sehr anspruchsvoll und bedarf eines gut trainierten KI-Modells. Aber das ist nicht alles, denn der Flaschenhals ist meistens die Anwendung im täglichen Produktionsbetrieb, der ohne große Aufwendungen passieren sollte. Auch ohne eigenem Team von Datenanalysten oder KI-Experten müssen KI-Lösungen leicht anwendbar sein und rasch einen Return bringen.

Use Case - Kosmetischer Defekt

Die automatisierte Inspektion kosmetischer Defekte können im vorliegenden Use Case zwei Arten von Inspektionen beinhalten:

  • In der ersten Gruppe von Inspektionen wird geprüft, ob eine Reihe von vorgegebene Beschriftungen, Markierungen oder Schrauben an einem Produkt in der Fertigung ordnungsgemäß angebracht sind.

  • Die zweite Gruppe sind Inspektionen, um physische Schäden des Produkts zu überprüfen, wie z. B. Kratzer, Dellen, Beulen oder Lackflecken, etc. die überall auf den inspizierten Oberflächen sein können.

Der KI basierte Prüfvorgang umfasst dabei folgende Bereiche:

• Prüfung aller Schrauben und Dübel, ob das Layout des Produkts in Ordnung ist

• Überprüfung, ob alle Aufkleber angebracht sind und ordnungsgemäß bedruckt/graviert sind

• Überprüfung, ob alle Barcode-Aufkleber richtig ausgerichtet und beklebt sind

• Barcode- und Etikettenlesung per OCR-Bestätigung

• Erkennung aller weichen und harten Kratzer größer als 2mm

Genauigkeit und form der anwendung

Wie in allen Entscheidungsprozessen gibt es auch in diesem Fall einen Kompromiss zwischen dem sogenannten TPR (True Positive Rate, Recall) und FPR (False Positive Rate, 1-Präzision). In diesem speziellen Anwendungsfall hatte der Kunde sehr anspruchsvolle Kriterien aufgestellt, sowohl für TPR (>98 %) als auch für FPR (<1 %). Die Leistung erreichte 100% TPR ohne jegliche falsch positiven Ergebnisse in 3 von 5 Tests.

Aber KI-Lösungen sind immer nur so gut, so leicht die Anwendungen ganz konkret im praktischen Alltag umsetzbar sind. Denn viele Industriebetriebe wollen sich nicht tiefer mit der Thematik beschäftigen oder können sich nicht Datenanalysten oder KI Experten leisten. Aber meine Erfahrungen aus dem Silicon Valley sind, dass es noch nie so einfach war wie jetzt war, KI anzuwenden und einzuführen.

Im ganz konkreten Fall musste weder ein dediziertes KI-Team eingesetzt werden, noch wussten die Shopfloor-Operators mit funktionierender KI umzugehen.

Trotzdem wurden alle Vorgänge der Qualitätskontrolle in der Fertigung von der Werkstatt des Kunden autonom durchgeführt, mit folgendem, beeindruckendem Ergebnis:

  • Output-Sampling und Überprüfung wurde KI basiert durchgeführt

  • Trainings-Funktionen wurden erlernt

  • Erkennung und Benachrichtigung von Ausgangsabweichungen, die es den Bedienern ermöglicht, die 24/7 Qualitätskontrolle sicherzustellen

  • Anomalie Erkennung und (in Vorbereitung) neuartiger Zero-/Fed-Shot-Learning-Implementierungen

  • Kostenersparnisse in Form von 2 MitarbeiterInnen

  • Steigerung der Genauigkeit der Qualitätskontrolle

All diese Ergebnisse werden durch die Lösungen von Relimetrics ermöglicht, die nicht nur sehr einfach umgesetzt werden können, sondern auch rasch einen Return von Kostenersparnissen bringen.  Diese Lösungen werden derzeit von HPE, Cisco, NVIDIA and ihren Fertigungspartner angewendet.

Alles beginnt bei den daten

Bei unserer letzten Lernreise habe ich vor allem eines gelernt: es geht nicht so sehr um KI, sondern um den klugen und strukturierten Umgang mit Daten. Alles beginnt bei den Daten, die müssen Sie als Führungskraft im Griff haben, gut aufbereiten und dann verwenden. Sie müssen die KI Modelle erst trainieren, dann leistet KI auch unglaubliches.

Meiner Erfahrung nach besteht immer zuerst eine mentale Hürde, wenn Führungskräfte sich mit KI beschäftigen. Die Sorge, ich müsse investieren, ich bräuchte KI Experten oder müsse Abteilungen für Datenanalysen schaffen.

Das stimmt heute nicht mehr, denn was ich brauche ist die Bereitschaft mich offen auf einen Prozess einzulassen. Natürlich bindet die Einführung am Anfang Ressourcen, das ist klar. Aber der Return kommt schnell und der Benefit kann im Falle der Qualitätskontrolle sogar Leben retten, sicherlich aber Kosten sparen.

Ausblick

Die Sorge in unseren Breitengraden ist groß, dass KI Jobs vernichtet - das stimmt meiner Erfahrung auch nicht. Denn wir leben in Zeiten akutem Arbeitskräftemangels, wir brauchen händeringend Menschen, die gerade Routinetätigkeiten wie Qualitätskontrollen durchführen. Und Jobs werden nicht vernichtet, sondern sie verändern sich. MitarbeiterInnen können sich nun sinnvolleren Dingen zuwenden, kreativ tätig werden, Kundenkontakte verbessern oder was auch immer.

Genau diese Veränderungen müssen nun Führungskräfte anstoßen, wollen sie wettbewerbsfähig bleiben. Die Qualitätskontrolle ist ein guter Bereich, um damit zu beginnen, Relimetrics zeigt wie niedrigschwellig heute KI schon eingesetzt werden kann und so wichtige Tätigkeiten wie die Qualitätskontrolle automatisieren kann.

Autor: Werner Sattlegger, Founder Art of Life

Anprechpartner Relimetrics: Mark Micnik, VP of Sales , Relimetrics

Executive Learning Journey, 03.06 - 07.06, 2024

Werner Sattlegger: “Die Kunst reifer Führung”, 2022

 

Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.