Silicon Valley Insights Vol 3

Einige Wochen bei unzähligen Meet Ups oder sonstigen Events hier in San Francisco, das war für Wochen mein Alltag hier in der Bay Area. Es macht mir unfassbar viel Freude, all diese hungrigen und interessanten Menschen kennenzulernen, zu beobachten wohin sich die Produkte entwickeln, welche Trends auf uns zukommen und wie KI unseren Alltag verändern wird.

Was wir hier immer wieder lernen, ist die Art und Weise, wie hier MitarbeiterInnen geführt und gleichzeitig Produkte entwickelt werden und wie sich Unternehmen organisieren, um Innovationen zu ermöglichen, was sich oft grundlegend von unseren Erfahrungen in Europa unterscheidet.

In diesem Blog beschreibe ich unsere Erfahrungen hier in der Bay Area, wie Start-ups ihre Produktidee finden und dann oft sehr schnell zu einem erfolgreichen Unternehmen weiterentwickeln.

Pain Point

Ich habe mich immer wieder gefragt, wie kommen all diese Start-ups auf ihre Geschäfts- und Produktideen? Im Grunde ist es ein sehr akribischer Ansatz:

Ein Founder eines Start-ups hat z.B. eine Vorstellung von einer Problemstellung aus einer Branche wie zum Beispiel im Recruiting, wo er im besten Fall sehr persönlich davon betroffen ist. Diese persönliche Betroffenheit erhöht die Motivation, die man bei der langen und schwierigen Reise eines Start-ups braucht, wie die Gründungsgeschichten von Uber und AirBnB zeigen. Bei Uber war es das Problem, dass in einer kalten Oktobernacht in Paris keine Taxis zu bekommen waren und bei AirbNb die Herausforderung, dass bei einer Konferenz in San Francisco kein Hotelzimmer zu finden war – der Rest ist Geschichte.

  • Das ist aber erst der Anfang, denn das, was mein Problem ist, muss nicht das Problem der anderen sein. Viel zu oft setzen wir uns etwas in den Kopf und glauben, dass wir damit nun missionieren und andere überzeugen müssen. Aber letztlich ist es ja nur eine Hypothese, die jetzt überprüft werden muss – dies gelingt durch gründliche Recherche beim Kunden.

Art oft Listening

Das ist dann meist erst der Ausgangspunkt, was danach geschieht, ist eine Kunst, die schon verloren gegangen ist – zuhören. Man geht in die Branche direkt zum Kunden, sucht sich die wichtigsten Key Player aus und beginnt einfach sehr offene Fragen zu stellen: wie und wo drückt der Schuh? Wo sind die größten Pain Points?

Das macht man am besten auch direkt im Umfeld des Befragten, denn dann kann einem auch auffallen, was der Befragte einfach nicht mehr sieht.

  • Beispiel: ein Start-up möchte ein KI basiertes Produkt im Bereich des Recruiting entwickeln und anbieten. Es geht ein paar Wochen lang zu rekrutieren und Headhuntern, stellt offene Fragen, am Ende ist das Problem mit dem größten Pain Point klar: Die Outbound Suche und Kommunikation zu möglichen Kandidaten findet noch immer händisch statt, kostet enorm viel Geld und ist langsam. Die Lösung ist ein KI basierter Autopilot, der dies automatisiert durchführen kann.

“Get out of the building” bedeutet, sich aus der eigenen Komfortzone herrauszubewegen, Feedback einholen und damit das Produkt weiterentwickeln.

Minimal Viable Product

Wenn das Problem definiert wurde, dann geht es gleich mit hoher Geschwindigkeit und Dynamik an das Umsetzen. Man entwickelt in maximal 1 bis 2 Wochen ein sogenanntes "Minimal Viable Product" (MVP) – zu Deutsch "Minimal überlebensfähiges Produkt". Es bezeichnet die einfachste Version eines neuen Produkts, mit der ein Unternehmen den Markt testen kann. Dabei wird mit möglichst wenig Aufwand überprüft, ob es eine ausreichende Nachfrage und Akzeptanz für das Produkt oder die Idee gibt. Das Konzept des MVP stammt aus der Lean-Startup-Methode, die von Eric Ries popularisiert wurde. Ein MVP ist damit ein Produkt, das „gerade noch funktioniert“ und an Kunden getestet wird.

Dann gibt es eine Gruppe an Betakunden, die als “early user” nun das Produkt nicht nur testen, sondern auch ständig Feedback geben. In einem iterativen Prozess entwickelt das Start-up nun dieses Produkt kontinuierlich weiter und baut die Feedbacks der Kunden ständig ein.

Speed und Kostenersparnis

Viele von uns kennen Produktentwicklung vom Zugang: ich habe eine Produktidee im Kopf, bin davon begeistert, plane, entwickle und produziere, dann versuche ich den Kunden oft erfolglos davon zu überzeugen, dass der das Produkt braucht. Dieses Vorgehen ist riskant, teuer und langsam, vor allem ist es nie sicher, ob der Kunde das Produkt braucht. Bei einem MVP sieht es ganz anders aus:

  • Schnelles Feedback: Ein MVP ermöglicht es Unternehmen, schnell Feedback zu sammeln, um Unsicherheiten zu reduzieren und die Produktentwicklung in die richtige Richtung zu lenken.

  • Ressourceneffizienz: Statt große Mengen an Ressourcen in die Entwicklung eines Produkts zu investieren, dessen Erfolg unsicher ist, können Unternehmen das Risiko verringern und sicherstellen, dass sie auf dem richtigen Weg sind.

  • Flexibilität: Durch den Einsatz eines MVP kann ein Unternehmen flexibel reagieren und das Produkt basierend auf echtem Kundenfeedback anpassen.

  • Risikominderung: Ein MVP hilft dabei, das Risiko zu minimieren, indem es Unternehmen ermöglicht, das Marktpotenzial vor der vollständigen Entwicklung oder Skalierung zu überprüfen.

Ausblick

“Building is Learning” erfordert aber einen völlig anderen Zugang zu Feedback, die nicht als Kritik angesehen wird sondern als wichtigste Lernquelle. Ich beginne radikal vom Problem des Kunden zu denken und versuche ständig das Produkt zu verbessern. Und neue Produkte werden gerade viele entwickelt, dafür sind immer die sogenannten Einhorns sehr gute Gradmesser (das sind Unternehmen mit einer Bewertung von über 1 Milliarde Dollar). Im dritten Quartal 2023 sind bisher 15 weitere Unternehmen in diesen Kreis hinzugekommen, brachten es zusammen auf einen Wert von 21 Milliarden US-Dollar. Alle diese Unternehmen fokussieren sich mit ihren Produkten auf die Bereiche Text, Übersetzung, Video, Kodierung und Mensch-Computer-Interaktion dominiert.

Das, was sich hier gerade rund um KI tut, das ist atemberaubend, was noch alles auf uns zukommen wird. Wenn wir nicht den Mut und die Freude entwickeln, Produkte gemeinsam mit den Kunden zu entwickeln, vor allem in den Bereichen Künstlicher Intelligenz, dann laufen wir Gefahr, den Anschluss zu verpassen. Das wollen wir nicht, daher freuen wir uns schon sehr auf unsere nächste Lernreise im Frühjahr 2024.

Autor: Mag. Werner Sattlegger, Founder Art of Life

Veranstaltungstip: nächste Lernreise 03.-07.Juni 2024

Werner Sattlegger: “Die Kunst reifer Führung”, 2022

 

Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.