Wie Europa die nächsten digitalen Disruptionen verschläft

Wie Europa die nächsten Disruptionen verschläft

Steigende Inflation, weiterhin billiges Geld und durch die Decke schießende Investitionen in Technologieunternehmen. Künstliche Intelligenz nimmt in allen Bereichen Fahrt auf, aber gerade die Pandemie hat die Digitalisierungsdefizite in Europa schonungslos offen gelegt.

Verschlafen wir in Europa gerade wieder die nächsten Disruptionen?

Das haben wir in den letzten 40 Jahren leider sehr erfolgreich getan, wie dies auch der „Economist“ auf der aktuellen Titelseite schreibt. Vor 20 Jahren waren es noch 41 europäische Unternehmen, die unter den 100 wertvollsten Unternehmen der Welt zu finden waren, nun sind es nur mehr 15. 

Ebenfalls stammten zu dieser Zeit ein Drittel des gesamten Werts der 1000 weltweit größten Unternehmen aus Europa, heute hat sich dieser Wert halbiert. Und so sind die 30 deutschen DAX Unternehmen zusammen heute weniger Wert als Apple. 

Wie konnte das passieren?

Teilweise waren es „falsche“ Industrien wie z.B. Versicherung oder Telekommunikation, die wie im Schneckentempo gewachsen sind. Oder Konzerne wurden schlecht gemanagt und einfach darauf vergessen, rechtzeitig in Digitalisierung zu investieren. Vor allem waren wir in Europa im Gründen von Unternehmen sehr schlecht, alle großen Unternehmen wie Amazon, Netflix, Tesla oder Facebook sind noch so jung, dass sie von ihren Gründern geführt werden. 

Von den 142 Unternehmen,  die mehr als 100 Milliarden Euro wert sind, wurden 43 in den letzten Jahren gegründet, 27 davon in den USA und China. Und in Europa kennen wir in den letzten Jahren in Europa nur SAP, das es in die TOP Liga geschafft hat. 

Noch dazu haben wir in Europa noch andere Hindernisse. So haben wir zwar eine größere Bevölkerung als die USA, doch ist diese durch Landesgrenzen zersplittert, mit unterschiedlichen Regulationen und Einschränkungen. Zusätzlich belasten hohe Arbeitskosten und Überalterungen, starke regulatorische Einschränkungen und ein mangelnder Mindset, sich mutig in das Neue vorzuwagen.

Wie ist nun die aktuelle Lage im Startup Bereich im Juni 2021?

Im letzten Mai wurden weitere neu bewertete Milliardenunternehmen gegründet, mit 44 neue Einhörner, also im Durchschnitt mehr als zwei pro Arbeitstag. Auf den IPO-Märkten gingen in diesem Jahr bisher 13 Unternehmen mit einem Wert von mehr als 10 Milliarden US-Dollar an die Börse, verglichen mit 12 Unternehmen im gesamten Jahr 2020. 

In diesem Jahr gab es laut Crunchbase-Daten bisher 1.070 Übernahmen von wagnisfinanzierten Unternehmen mit einer gemeldeten Gesamtsumme von 91,9 Milliarden US-Dollar. 

Kapital ist jetzt billiger, es gibt "aufgestaute Dollars", die man ausgeben kann, und vielleicht am bemerkenswertesten ist, dass die COVID-19-Pandemie im letzten Jahr eine Menge Deals auf Eis gelegt hat, die jetzt wieder ins Spiel kommen.

Nun noch ein paar Beispiele von Start Ups, die europäischen Produktionsunternehmen große Dienste leisten könnten. Leider sind diese Unternehmen nicht in Europa gegründet worden, denn deren Themen haben Riesenpotential. 

Hot Startups

Die Fertigung ist eine Disziplin und während jede Branche einzigartig ist, der Prozess der betrieblichen Verbesserung ist bemerkenswert konsistent.  Die Produktion dreht sich an vier Hebeln - Durchsatz, Qualität, Kosten und Flexibilität.  Wenn Sie jeden Hebel verstehen und kontrollieren, sind Sie ein besserer Hersteller. Eine einzige Datengrundlage ermöglicht es der Organisation, über diese gesamte Landkarte hinweg zu arbeiten.

Produktionsunternehmen können heute schon niedrigschwellig die Tools von Sight Machine testen, jeder Produktionsleiter kann rasch mit einem Onlinekalkulator erkennen, wie und wo man sich verbessern kann

Das Unternehmen hat eine Mobile-First-Plattform für Industrie- und Außendienstmitarbeiter entwickelt, die dabei hilft, Wartung, Sicherheit und Betrieb zu verfolgen. Seine Workflow-Management-Lösung versucht im Grunde, die älteren Tabellenkalkulationen und Klemmbretter, die in vielen Fabriken und Industrieanlagen im Einsatz sind, durch digitale Werkzeuge zu ersetzen.

Europa war immer bekannt für Ingenierskunst und Manufaktur, Bosch und Siemens die Leuchttürme für Wachstum und Wohlstand. Zusehens haben wir uns auf unsere bisherigen Leistungen ausgeruht, gepaart mit Überheblichkeit und Selbstgenügsamkeit haben wir uns in Europa vor allem von China abhängen lassen. 

Nun haben wir aber nicht mehr 20 Jahre Zeit, wollen wir nicht vollständig von der internationalen wirtschaftspolitischen Landkarte restlos verschwinden.

Wir sollten das rasch ändern, das sind wir unserer Nachfolgegeneration schuldig. 

Tip: Silicon Valley Learning Journey’s

 

Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.