Potentiale im Schatten

New Work bedeutet eine völlig neue Form der Arbeit, wo menschliche Beziehungen und persönliche Potentiale gelebt werden. Diese liegen aber oft im „Verborgenen“ oder im Schatten, wie es der Schweizer Psychoanalytiker C.G. Jung bezeichnet hat. 

Darin liegen aber viele ungeahnte Möglichkeiten und Potentiale, die wir zur Entfaltung bringen können und sollten. Darüber haben wir in der aktuellen Podcast Episode gesprochen, vor allem was dies für Organisationen und Führungskräfte bedeutet. 

„If you don’t have any shadows you’re not in the light“
Lady Gaga

Was als Schatten bezeichnet wird

Der Schatten bezeichnet jene Seiten ist uns, die wir nicht akzeptieren können und die nicht mit unserem Bild über uns selbst übereinstimmen. Unser Idealbild passt nicht mit der Wirklichkeit zusammen und es stimmt auch oft nicht mit den Werten, die eine Gesellschaft hat, überein. 

Oder es gibt noch viele andere Gründe, wie Schuld, Scham oder es sich einfach nicht zutrauen. Egal warum, wir verdrängen diese Seiten und sehen Sie mit Vorliebe bei anderen Menschen. Dort können wir diese Seite bekämpfen – dies nennt man dann Projektion.

Der Schatten ist normalerweise nichts, mit dem man sich so gerne befasst. Sogar der „richtige“ Schatten in der Natur fällt einem meist gar nicht auf. Auf Bildern kann ein Schatten Spannung aufbauen oder fällt uns erst auf, wenn etwas an dem Schatten ungewöhnlich oder komisch aussieht (z.B. Farbe, Größe, Komposition).

Es gibt keinen Menschen der keinen Schatten hat, es ist in uns Menschen angelegt, vielleicht auch als Zeichen der Polarität des Lebens, wo alles immer zwei Seiten hat. Wir brauchen wahrscheinlich die dunklen Phasen, den Schatten und die Herausforderungen in unserem Leben, an denen wir wachsen und reifen können. Dunkelheit als Bestandteil von Helligkeit, das eine kann nicht ohne dem anderen nicht bestehen. 

Das Problem entsteht dann, wenn der Schatten im Unbewussten liegt und wir im Außen versuchen zu klären oder zu lösen, was nur in uns intrapersonell möglich ist. 

Wenn uns dieser Schatten nicht bewusst ist, dann gehen wir im Außen Konflikte ein, die nicht zu lösen sind.

Dann finden Scheingefechte statt, die Energie, Nerven und Geld kosten, vor allem alle eines gemeinsam haben – sie bringen uns nicht weiter. Es findet keine Entwicklung statt, im Gegenteil – wir bleiben stecken.  

Schatten in Organisationen 

Potentialentfaltung bedeutet Möglichkeiten zu entfalten, „brachliegende Anteile“ zum Leben erwecken, die ungelebt und unausgedrückt sind. Da Menschen in Organisationen ständig im Austausch und damit mit in Beziehung mit anderen Menschen sind, wie z.B. Kunden, Kollegen, Stakeholdern,….finden die Phänomene des Schattens natürlich auch in Organisationen statt. 

  • Beispiel:

Da gibt es den/die Chef*in, der/die sich dauernd in den Mittelpunkt stellt, immer viel redet aber wenig sagt, die Erfolge der anderen für sich verkauft…

Oder der/die protzige Kollege*in, der/die immer nervend in Selbstdarstellung von sich großartigst spricht oder vieles mehr. 

Natürlich können bei diesen Beispiele auf einer objektiven Metaebene stimmen, aber sie haben immer auch etwas mit mir selber zu tun. Etwas in mir gibt es zu diesem Themenbereich, das nicht gelebt wird, was ich verdränge und daher beim anderen kritisiere. Und je heftiger ich kritisieren, desto mehr können wir davon ausgehen, dass dies etwas mit uns selbst zu tun hat. 

Wie erkenne ich Schatten und Projektionen

Gute Indikatoren für Schattenthemen sind all die Themenbereiche, die uns bei anderen Menschen extrem stören oder die wir ganz besonders bewundern. Oder auch all die moralischen Bewertungen, Kategorisierungen oder bis hin zu Radikalisierungen. Gerade die Sehnsucht nach einer starken Führung, die wir gerade in unserer westlichen Kultur erleben, ist ein Phänomen des Schattens. Wir spalten dabei unsere eigene Unsicherheit ab, leben nicht unsere Stärke, daher spalten wir diesen Anteil ab und projizieren ihn auf andere Menschen.

Gerade im Unternehmertum gibt es noch ein anderes Phänomen. Wenn andere Menschen außerordentlich erfolgreich sind, dann erfahren sie oft nicht nur Neid von anderen, sondern manchmal auch Angriffe oder Diskreditierungen. Menschen wollen anderen Menschen Schaden zufügen, der österreichische Psychoanalytiker Wilhelm Reich hat dieses Phänomen im Buch „Christusmord“ beschrieben – der andere darf nicht erfolgreich sein, damit er nicht mein eigenes Unvermögen aufzeigt.  

Oder man muss immer andere Menschen abwerten, damit ich mich selber hinaufhebe. Aus diesem Grund hat das Schattenthema auch ganz viel mit dem eigenen Selbstwert zu tun. Das Ergebnis sind oft dysfunktionale und toxische Unternehmenskulturen, die eine Quelle für Frustration vieler Menschen sind. 

Wie und wo auch immer, unser Schatten ist allgegenwärtig. Wir haben aber die Möglichkeit uns diesem Thema zu stellen, darin eine wunderbare Möglichkeit für Wachstum und Entwicklung zu erkennen und zu nutzen. Oder wir bleiben im Autopilot Modus, uns nicht nur nicht weiterzuentwickeln, sondern mit der Gefahr viel Schaden anzurichten.

Gerade Organisationen und Unternehmen sind dafür ein Ort, wo Schattenthemen meist unbewusst eine große Rolle spielen. Der Schatten ist aber die effektivste Möglichkeit für Selbsterkenntnis und Selbstreflektion, was auch für Führungskräfte ganz wichtige Eigenschaften sind.

Daher wäre jetzt eine gute Zeit, sich mit dem Schattenthema zu beschäftigen. 

 
Literaturempfehlungen

Ute Karin Höllrigl, „Goldene Spur, Der Prozess einer Individuation in Träumen und Bildern. Ingeborg Bachmann und C.G. Jung. Ein Essay.“, Erato, Graz, 2013

Verena Kast, „Die Dynamik der Symbole. Grundlagen der Jungschen Psychotherapie“, Patmos, Düsseldorf, 1990

Hans-Joachim Maaz, „Das falsche Leben. Ursachen und Folgen unserer normopathischen Gesellschaft“, C.H. Beck, München, 2017

Podcast zum Anhören

Wir freuen uns, wenn Sie den Art of Life Podcast “Die Kunst den eigenen Weg zu gehen” abonnieren und wenn Sie uns schreiben: podcast@the-art-of-life.at