Macht uns KI dumm?
Als ChatGPT im November 2022 der Weltöffentlichkeit vorgestellt wurde, war ich gerade in San Francisco und habe gespürt, dass sich hier etwas entwickelt, dass viel verändern wird - doch hatte ich keine Ahnung was genau. Nun bin ich wieder hier und kaum kein Tag vergeht, ohne dass nicht ein neues Sprachmodelle und ein KI-Assistenten. vorsgestellt wird. Alles vibriert in der Bay Area, jeder spricht von transformierenden Zeiten und genauso fühlt es sich auch an.
Aber wenn immer mehr Tätigkeiten von Künstlicher Intelligenz ersetzt werden können, vor allem auch hochqualifzierte Arbeit bleibt die Frage, was dann von der menschlichen Fähigkeit übrigbleibt. Was macht mit uns Menschen und vor allem mit unserer Denkleistung? Diese Frage beschäftigt mich schon länger, daher bin ich einigen Studien nachgegangen und bin zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen, mehr dazu gerne in diesem Beitrag.
Was macht Künstlicher Intelligenz mit unserem Denken?
Die Entwicklungen im Bereich der verschiedenen Sprachmodelle sind in der Tat atemberaubend und ersetzen jetzt schon ganz viele Tätigkeiten, Sei das Schreiben von Texten, Konzepten, die Erstellung von komplexen mathematischen Aufgaben bis hin zur Bildverarbeitung oder Multimodalität. Dabei stehen wir immer noch am Anfang einer Enwicklung die ganz klar in einer Richtung geht - Superintelligenz!
Superintelligenz bezeichnet eine Form von Intelligenz, die der menschlichen Intelligenz weit überlegen ist – nicht nur in einzelnen Bereichen (wie Rechnen oder Gedächtnis), sondern in praktisch allen kognitiven Fähigkeiten: logisches Denken, kreative Problemlösung, Entscheidungsfindung oder wissenschaftliche Entdeckung.
Es ist zwar verlockend die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz mit der Brille er Produktivität zu sehen, aber geht uns dabei nicht das wichtige Instrument des kritischen Denkens verloren? Das ist die Frage die ich mir stelle und in meiner eigenen Arbeit zwar eine immense Produktivitätssteigerung wahrnehme, gleichzeitig aber auch eine Abflachung meiner Hirnleistung. Ich persönlich verwende ich viele dieser Modelle und frage mich, was das mit meinem Denken macht - ich habe mir die Studien angesehen, die dazu gerade veröffentlicht werden - und diese Erkenntnisse sind eindeutig.
Weniger Hirnaktivität bei KI-Nutzung
Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT, 2024) zeigt, wie sich der Einsatz von KI direkt auf die Gehirnleistung auswirken kann. Studierende, die Aufsätze mit und ohne Hilfe von ChatGPT verfassten, wurden per EEG überwacht. Diese Studie testete 54 Teilnehmer (Alter 18–39), aufgeteilt in drei Gruppen: ChatGPT, Google-Suche, Brain‑Only. Mittels EEG wurden neuronale Aktivität und kognitive Leistung beim Schreiben überwacht, umso evidezbasierte Ergebnisse zu erzielen.
Ergebnisse: Teilnehmer in der ChatGPT‑Gruppe zeigten deutlich niedrigere Hirnaktivität, schlechteres Erinnerungsvermögen und weniger Originalität. Die Essays wurden als „soulless“ bezeichnet, und das Gefühl geistiger Eigenleistung fehlte, irgendwie fühlten sich diese Texte leer und schablonenhaft an.
Die Forscher prägten den Begriff „cognitive debt“ – ein mentales Defizit durch Auslagerung kognitiver Last an KI, die eigene Hirnleistung wird reduziert, man muss sich nicht mehr anstrengen.
Auch der Wechsel zurück zu ausschließlichem Denken (Brain-only) führt nicht sofort zur Erholung der kognitiven Leistung – ein Hinweis auf langfristige Effekte.
Diejenigen, die mit KI arbeiteten, zeigten deutlich geringere neuronale Aktivität in den für Kreativität und Aufmerksamkeit zuständigen Hirnarealen. Zusätzlich konnten sie sich schlechter an selbst geschriebene Inhalte erinnern. Das ist mehr als nur ein interessanter Nebeneffekt – es ist ein Warnsignal.
Weniger kritisches Denken, mehr "kognitiver Geiz"
In einer Studie von Microsoft Research wurden 319 Wissensarbeiter befragt, die regelmäßig generative KI nutzen. Sie berichteten, über 900 Aufgaben mithilfe von KI erledigt zu haben – von der Zusammenfassung komplexer Dokumente bis zur Entwicklung von Marketingkampagnen.
Doch nur bei rund 60 % dieser Aufgaben war laut eigener Einschätzung kritisches Denken erforderlich. Der Rest wurde als "gedankenlos" beschrieben.
Eine weitere Studie von Dr. Michael Gerlich (SBS Swiss Business School, 2023) zeigte: Menschen, die häufig KI nutzen, schneiden in Tests zum kritischen Denken signifikant schlechter ab. Gerlich spricht von einer möglichen "kognitiven Rückkopplung": Wer sich an KI gewöhnt, denkt weniger selbst – und verliert dadurch genau jene Fähigkeit.
Ich beobachte in Unternehmen zunehmend eine paradoxe Dynamik:
Teams liefern schneller, klingen smarter – aber wirken inhaltlich flacher. Wenn alle dieselben Tools nutzen, werden auch die Ergebnisse austauschbarer. In einem Strategieworkshop fragte ich vor kurzem eine Führungskraft: "Woher stammt diese Idee?" Die Antwort: "Ich habe sie so aus ChatGPT übernommen." Kein Kontext, kein Zweifel, kein Eigentum. Das ist effizient. Aber nicht führungswürdig, senkt das kritische Denken, aber auch viele andere Fomen des Denkens.
Formen des Denkens
Wenn ich hier von denken spreche, stellt sich natürlich die Frage, welche Formen des Denkens es überhaupt gibt?
Viele Verwechseln nachplappern, kopieren oder Bla-Bla mit einem organischen Denkvorgang. Meiner Meinung haben wir unserer schnelllebigen Sociel Media Gesellschaft genau dieses Denken verlernt, Dinge auf den Grund zu gehen, Argumente zu formulieren, sich die Mühe machen die Argumente auch zu entfkräften. Das merke ich nicht nur in meiner eigenen Generation, sondern auch bei der Jugend und bei Schülern.
Welche sind nun diese Fähigkeiten, bei denen es beim Lernen geht:
Kritisches Denken:
Es bedeutet, Informationen nicht nur einfach hinzunehmen, sondern sie bewusst, reflektiert und logisch zu prüfen, sie zu verknüpfen oder sie zu widerlegen, wie z.B.Annahmen zu hinterfragen
Argumente zu analysieren und zu bewerten
eigene Schlüsse zu ziehen, statt Meinungen zu übernehmen
sich nicht von Emotionen, Ideologien oder Gruppendruck leiten zu lassen
Eigenständige Urteile – eine Schlüsselkompetenz in Zeiten generativer KI. Schützt vor Manipulation, Fake News und algorithmischer Bequemlichkeit.
Systemisches Denken: Erkennt Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Langzeitfolgen. Unverzichtbar in Führung, Organisation, Nachhaltigkeit und Transformation.
Kreatives Denken: Bringt neue Ideen und echte Innovation hervor – dort, wo KI nur vorhandenes Wissen rekombiniert. Die menschliche Superkraft der Zukunft.
Barbara Larson (Northeastern University, 2024) bringt es auf den Punkt: "Ein langfristiger Verlust des kritischen Denkens würde zu einer geringeren Wettbewerbsfähigkeit führen."
Meiner Erfahrung nach ist dies einer der größten Gefahren unserer Zeit überhaupt:
wir haben verlernt kritisch zu denken, Dinge zu hinterfragen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Immer diese sog. swallow work, immer abscannen und mulittasken, aber nicht in die Tiefe gehen und Dinge zu hinterfragen.
Was können wir tun?
KI als Assistent, nicht als Autor: KI ist ganz wunderbarer Sparringpartner und hift bei der Strukturiung oder auch Ideenfindung, oder überhaupt bei der Suche. Aber Künstliche Intelligenz macht noch viele Fehler, halluziniert oder liegt einfach auch falsch.
Kognitive Reibung zulassen: Etwas Geduld, bewusste Pausen, Nachdenken vor dem Prompt. Auch ein "denkender Assistent" kann gute Fragen stellen, statt nur Antworten zu liefern.
Verantwortung nicht outsourcen: Nur wer den Denkprozess verantwortet, kann auch hinter dem Ergebnis stehen. Accountability ist nicht delegierbar.
Ich für meinen Teil zwinge mich gedanklich anspruchsvolle Dinge zu tun - so habe ich begonnen Philosophie zu studien, lese regelmäßig Economist zu lesen oder spiele mit meinem Sohn Schach. Das klingt vielleicht küchenpsychologisch, aber ich kann mich wirklich jeden Tag entscheiden, mit was ich mich beschäftige und und was ich lesen. Vor allem kann ich mir auch die Mühe machen, Dinge zu recherchieren, selber nachzudenken und Dinge zu hinterfragen.
Künstliche Intelligenz ist unfassbar kraftvoll, es hat meine Produktivität unglaublich erhöht - aber sie ist kein Ersatz für menschliches Urteilsvermögen, kritisches Denken und echte Verantwortung.
Autor: Mag. Werner Sattlegger, CEO und Founder
Quellen (Auswahl):
Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life
Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.