WIE MICH DIE BÜHNE VERÄNDERT HAT

 

Um diese Frage zu beantworten, muss ich ein wenig ausholen und Ihnen ein aus meiner eigenen Geschichte erzählen: Ich stamme aus dem schönen Kärnten. Wie tausende Kärntner Kinder der letzten Generationen habe auch ich schon früh das Schifahren gelernt und in Schul-Schikursen intensiviert. Auf einem dieser Schikurse, ich war 14 Jahre alt, hatte ich sowas wie meine persönliche Initiierung die Bühne betreffend. Am letzten Abend der Schiwoche kam es, wie es eben üblich ist, zu einem sogenannten Hüttenabend. Der Saal, in dem die Feier vor sich ging, hatte eine kleine Bühne. Auf dieser wurden die Sieger der Schirennen gekürt, die Lehrer hielten langatmige Reden und ein paar Schüler lasen Geschichten aus diversen Büchern. Kurzum: der Abend war an Langeweile kaum zu überbieten. Dann aber geschah etwas Großes: Ein Schüler der Nebenklasse ging auf die Bühne, holte seine Gitarre hervor und begann bekannte Lieder von den Beatles, den Rolling Stones etc. zu spielen. Nach nur wenigen gespielten Songs hörte ihm der ganze Saal zu. Vor allem die Mädchen hingen an seinen Lippen und hatten nur noch Augen für den Jungen mit der Gitarre. Ich war begeistert und fasste in derselben Nacht noch den Entschluss: Ich brauche auch eine Gitarre. Eine Gitarre und eine Bühne. Und zwar so schnell als möglich.

It’s a long way to the top if you wanna rock’n’roll

Aus sehr bescheidenem Hause kommend, musste aber zuerst mal längere Zeit auf eine billige Gitarre gespart werden. Als diese dann gekauft war, lernte ich in recht kurzer Zeit einige bekannte Lieder zu spielen und zu singen. Schon beim nächsten Hüttenabend war es dann ich, der seine Gitarre in die Hand nahm und dem die Mädchenherzen zuflogen. Zuerst hieß es natürlich die Angst vor der Bühne abzulegen. Aber recht bald schon war ich im Flow und sang und spielte, was das Zeug hält. An all das kann ich mich noch sehr plastisch erinnern, obwohl dieser Abend schon sehr lange her ist. Ich weiß noch ganz genau, wie ich nach wenigen Liedern scheinbar einen Kopf größer wurde, wie berauschend sich der Schlussapplaus anhörte und wie überschwänglich es sich anfühlte, die vielen Gratulationen entgegenzunehmen. Am allerschönsten war das Leuchten in den Augen einiger Mädchen, die ich mit meiner Darbietung beeindruckt - ach sagen wir doch, wie es wirklich war - die ich verzaubert hatte! Ich fühlte mich riesenhaft groß. Die Kraft der Bühne hatte ihre Wirkung gezeigt.

Die Verwandlung

Seit dem für mich prägenden Abend ist viel Zeit vergangen. Aus dem Hobby wurde ein Beruf und die Bühne eine Art „Zu Hause“ für mich. Auf insgesamt drei Kontinenten und vielen Ländern habe ich bis dato auf Bühnen jeglicher Größe gesungen, musiziert, gespielt und gearbeitet. Oftmals haben mir große Mengen von Menschen dabei zugesehen, oft waren es auch nur ganz wenige. Aber so oder so habe ich den Gang auf die Bühne meistens genossen wie einer, der mit stolzgeschwellter Brust in die Schlacht zieht oder zu einer imaginären Krönung schreiten darf. Oben dann, auf den Brettern, die die Welt bedeuten, habe ich meist alles um mich herum vergessen und alle etwaigen Sorgen waren schnell verflogen (die existenziellen etwa, die mich in diesem schwierigen und launischen Gewerbe durch harte Zeiten gehen ließen). Ich habe mich oft und oft in einen Zustand gespielt, in dem alles, was belastend und störend ist, keine Chance hat, an mich heranzukommen. In solchen Momenten nehme ich kein Publikum mehr wahr, verschwimmen Raum und Zeit und das Gefühl, alles zu schaffen, beherrscht jeden Teil meines Körpers und mein ganzes Herz. Das alles hört sich fantastisch und für etliche vielleicht auch unwahrscheinlich an. Aber glauben Sie mir, die Bühne verwandelt einen! Bei mir hat sie es jedenfalls getan. Und sie hat mich auch verändert.

Mehr Kraft und einiges mehr an Selbstwerts

Diese Verwandlung habe ich bei mir und bei hunderten anderen Musikern und Schauspielern (Bühnenarbeitern, wie ich sie nenne) festgestellt. Ich selbst hatte vor meinen Bühnenerlebnissen doch einige Probleme mit meinem Auftreten und mit meiner Person an sich. Aber das grundsätzliche Reüssieren und das Vermögen in einer doch sehr stressigen Situation (schließlich beobachten einen fremde Menschen bei der Arbeit, wobei deren Kritik oft unerbittlich ist) zu bestehen, haben mich enorm gestärkt und mir auch eine große Portion Selbstbewusstsein, eingeimpft. Und die hatte ich auch dringend nötig. Ich weiß, dass ich durch „die Kraft der Bühne“ jetzt ganz anders mit persönlichen oder beruflichen Problemstellungen umgehen, schwierige Situationen besser bewältigen und überhaupt viel gelassener und bestimmter mit schwierigen Anforderungen umgehen kann. Darauf, dass die Bühne solches bei den meisten von uns - z.B. bei Ihnen! - anzustellen vermag, darauf werde ich in meinem nächsten Blogeintrag hier eingehen. Rock’n’Roll!

Stay tuned and stay hungry,
Oliver Welter

Autor: Oliver Welter  Leadsänger Naked Lunch, Bühnenautor und Komponist.

Autor: Oliver Welter
Leadsänger Naked Lunch, Bühnenautor und Komponist.