Aristoteles Prinzip

Das Geheimnis von Hochleistungsteams

Wie viele 25-Jährigen war Julia Rozovsky nicht sicher, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte. Zuerst eine Beratungsfirma, dann Forschungsassistentin in Harvard, interessant aber einsam. Vielleicht würde ein großes Unternehmen besser passen? Um Zeit zu gewinnen, bewarb sie sich für ein MBA Studium in Yale.

Studiengruppen sind mittlerweile zu einer Art Initiationsritus in MBA-Studiengängen geworden, damit Studenten lernen in Teams zu arbeiten. Denn wissenschaftliche Untersuchungen haben bestätigt, dass kollaborative Tätigkeiten bis 50 % zunehmen. 

Jeden Tag kamen Rozovsky und ihre vier Teamkollegen am Unicampus zusammen, um Hausaufgaben zu besprechen. Alle waren klug und neugierig , und sie hatten viel gemeinsam. Aber Rozovsky fühlte sich gestresst, es herrschte eine Wettbewerbssituation.  Wer ist der/die Klügste? Sie lernte wenig und war frustriert. 

Zur gleichen Zeit schloß sie sich im privaten Umfeld einem Team an,  aus völlig unterschiedlichen Branchen,  Kulturen und Altersgruppen und Persönlichkeiten. Dabei erlebte Rozovski genau das Gegenteil wie in Yale, die Magie des Teams. 

Diese Erfahrungen prägten Rozovski so sehr, dass sie viele Jahre später Projektleiterin bei der größten soziologischen Studie wurde,  die genau dieser Frage nachging  - was macht Teams erfolgreich?

Googles Geheimprojekt „Aristoteles“

Als erfolgreichstes Unternehmen der Welt ist Google in vielen Bereichen führend. Sei es bei Arbeitskultur, internen Arbeitsprozessen oder technologischen Innovationen, das haben unsere Insights der vielen Silicon Valley Lernreisen gezeigt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich jedes Jahr Millionen Menschen aus aller Welt um Jobs bei Google bewerben. Nur die intelligentesten und engagiertesten Menschen weltweit werden nach einem sehr aufwendigen und ausgeklügelten Aufnahmeverfahren aufgenommen.

Wie formt man aus diesen TOP Talenten ein Team und wie funktioniert Führung in diesen Teams, das war für Google eine entscheidende Frage im Wissen, dass es nicht reicht, die besten Leute zusammen zubringen. Aus diesem Grund war es nicht überraschend, dass Google es in Bezug auf Teamarbeit und Leadership genau wissen wollte.

Im Jahr 2012 startete das Unternehmen mit dem Codenamen Aristoteles“ ein in der Öffentlichkeit verborgenenes, über 3 Jahre dauerndes und weltweit einzigartiges Soziallabor.  Die Namensentscheidung beruht auf dem Zitat des Philosophen Aristoteles, welches lautet „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, weil es genau darum ging.

Google holte die weltweit besten Psychologen/Innen, Soziologen/Innen, Psychotherapeuten/Innen, Gruppendynamiker/Innen und Statistiker/Innen für dieses auch in der akademischen Welt einzigartiges Projekt. Millionen Dollar wurden in die Hand genommen, um strukturiert und systematisch über 180 Google-Teams zu untersuchen, und herauszufinden, warum einige stolperten, während andere in die Höhe schossen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Rozovsky beschlossen, ihren prägenden Erfahrungen in Yale weiter nachzugehen, um herauszufinden, was nun gute Teams ausmacht. Wie das Schicksale es wollte, nach ihrem Abschluss in Yale wurde sie von Google eingestellt und arbeitete im Projekt Aristoteles mit.

Die ForscherInnen des Projekts Aristoteles begannen mit der Durchsicht eines halben Jahrhunderts akademischer Studien, die sich mit der Funktionsweise von Teams befassten. Und sie stellen alle Fragen, die man in diesem Zusammenhang stellen kann: 

  • Wie oft trafen sich die Teammitglieder außerhalb des Büros? 

  • Waren die besten Teams aus Menschen mit ähnlichen Interessen zusammengesetzt? 

  • Hatten sie die gleichen Interessen, Hobbies oder waren sie sich sympathisch? 

  • Hatten sie einen ähnlichen Bildungshintergrund? 

  • War es für alle Teammitglieder besser, kontaktfreudig zu sein, oder für alle, schüchtern zu sein? 

Die Forscher zeichneten Diagramme, aus denen hervorging, welche Teams überlappende Mitgliedschaften hatten und welche Gruppen die Ziele ihrer Abteilungen übertroffen hatten. Sie untersuchten, wie lange die Teams zusammenhielten und ob ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis einen Einfluss auf den Erfolg eines Teams zu haben schien. Sie versuchten alle möglichen Muster zu erkennen und worin Google wirklich gut ist, das ist die Mustererkennung. 

Nach 3 Jahren intensiver Feldforschung, akribischer Forschungsarbeit und alle Versuche Typologien fest zumachen, Muster zu erkennen, die einem Team vertreten sein sollten (Meyer Briggs, DISG,..), all die bestehende Modelle in der Organisationpsychologie durchforstet zu haben, fanden ein atemberaubendes Ergebnis: 

Es konnten keine Muster erkannt werden und es war völlig irrelevant welche Typologien in den Teams vertreten waren!

Sie fanden aber etwas anderes, was unglaublich spannend ist und auf alle erfolgreichen Hochleistungsteams anzuwenden ist.  Der entscheidende Punkt war nicht das „Wer“ sondern das „Wie“ - wie die Teammitglieder miteinander umgingen. Das Google Forschungsteam hat folgende 5 Punkte herausgefunden, die den Unterschied ausmachen:

1. Psychologische Sicherheit

Menschen vermeiden oft Fragen zu stellen, Dinge kritisch zu sehen oder konstruktiven Widerspruch zu äußern, weil sie Angst vor Zurückweisung haben oder nicht beschämt werden wollen. Das ist einer der Grundängste von Menschen, denn die Folgen sind Abwertung, Scham und Minderwertigkeit. Fürchten MitarbeiterInnen sich davor, Fragen zu stellen oder neue Dinge einzubringen, weil sie von Kollegen/Innen als inkompetent betrachtet werden könnten, wird das Team keine neuen Impulse mehr identifizieren und an ihnen arbeiten können. 

MitarbeiterInnen müssen tiefes Vertrauen und sich sicher fühlen, bestimmte Risiken eingehen zu können – und zwar ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen. 

2. Zuverlässigkeit

Teammitglieder müssen sich aufeinander verlassen können. Jeder muss jederzeit wissen, wie Aufgaben- und Rollenverteilung im Team organisiert sind in Form einer transparenten Projektplanung. Vor allem, dass ich mich auf die andere Teammitglieder verlassen kann, dass die zugewiesenen Aufgaben erfüllt werden können. 

3. Struktur und Klarheit

Agile Arbeitsmethoden sorgen durch Visualboards für Transparenz, jeder weiß wo er selber und andere stehen. Es ist wichtig, dass nicht nur Ziele, Rollen und Projektpläne für alle Team-Mitglieder transparent einsehbar sind, sondern dass die Aufgaben auch jedem/r Einzelnen klar sind. Jede/r MitarbeiterIn muss wissen, was von ihm erwartet wird, wie sie/er diese Erwartungen erfüllen kann.

4. Sinn

Höchstleistungen entstehen dann, wenn jede/r MitarbeiterIn im Team das Gefühl hat, die Teamarbeit macht Sinn und dient einem Beitrag für die Welt. Folgt jedes Teammitglied einer Vision und hat sich somit persönlich sowie gemeinschaftlich einer Mission verschrieben, erklimmt erfolgreiche Teamarbeit nochmal eine ganz andere Ebene.

5. Bedeutung der Arbeit - macht meine Arbeit einen Unterschied?

Teammitglieder arbeiten am Besten, wenn die Arbeit für jede/n Einzelne/n auch eine persönliche und individuelle Bedeutung hat, nur so entsteht die nötige intrinsische Motivation. Es ist deshalb wichtig, eine klare Vision zu haben und eine gut definierte Mission zu kommunizieren, mit der sich jeder im Team nicht nur identifizieren kann, sondern jeder weiss, was sein persönlicher Beitrag ist.

Klarheit der Rollenaufteilung, lebendige Vision und Mission, die verinnerlicht und gelebt wird. Das klingt nach Lehrbuch, kann sich aber nur entfalten, wenn die Führungskraft authentisch die Richtung vorgibt und voranschreitet. Was aber bei der Studie wirklich überrascht ist die Tatsache, dass die alles entscheidende Eigenschaft eines Teams die psychologische Sicherheit ist. 

Kann die Führungskraft oder der Teamleiter eine Kultur schaffen, die Vertrauen, Offenheit und vor allem Mut für Neues ermöglicht. Wo die Menschen nicht die Sorge haben müssen, abgewertet zu werden oder ihre Karriere aufs Spiel zu setzen. 

Die nächsten Jahre bleiben unsicher und voll von Widersprüchen, mit hoher Komplexität und Geschwindigkeit, genau in so einem Umfeld können wir als Menschen und Organisationen nur wachsen, wenn wir Kollaboration leben und voneinander lernen. Das und vieles mehr erfahren wir bei unseren Executive Learning Journeys ins Silicon Valley, wo wir von den Besten lernen.

Das Wichtigste, was dabei immer wieder lernen: die Fähigkeit Teams zu einem größeren Ganzen zusammen zu führen, das ist der entscheidende Faktor für Erfolg.

Genau das wird von KI nicht ersetzt werden können, denn es hängt einzig und alleine an der Fähigkeit der Führungskraft, mit Menschen umzugehen. Jetzt ist eine gute Zeit damit zu beginnen.

Autor: Werner Sattlegger (CEO & Founder Art of Life)

Quelle:

Tip:

Executive Learning Journey Silicon Valley, 03.Juni - 07. Juni 2024

 
 

 
Autor: Werner Sattlegger Founder & CEO Art of Life

Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse- wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.