So sein, wie man ist

Egal ob als junger Mensch oder später im Leben, oft stehen wir vor wichtigen Weichenstellungen oder müssen unseren Platz finden. Diese Lebensphasen sind oft geprägt von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit, daher ist mein persönliches Umfeld entscheidend. Ist es ein Umfeld, dass mich stärkt, fördert und wo ich so sein, wie ich bin? Wie wir dies gestalten, darum geht es in diesem Podcast mit Romina Klammer, Manuela und Werner Sattlegger.

Romina Klammer, Studentin an der Uni Klagenfurt, berichtet von ihrem Freundeskreis, der sie in einer Zeit der Weichenstellungen für die Zukunft gestärkt hat. Soll ich studieren und wenn was oder soll ich eine berufliche Tätigkeit beginnen ? “ Wertschätzung, Akzeptanz und Ankerkennung, wo man so sein kann, wie man ist, das ist ein soziales Umfeld was stärkt und fördert”, betont Romina Klammer. Wo auch das soziale Umfeld auf etwas aufmerksam macht, was einem normal nicht so bewusst ist.

Werner Sattlegger erzählt, dass dies im späteren Leben schwieriger wird, da es mehr Erwartungen und Abhängigkeiten gibt oder Neid und Missgunst stärker werden. Man hat mehr zu verlieren, will mehr sein Gesicht wahren, gibt sich oft anders, als man tatsächlich ist und hat Angst, sein wahres Selbst zu leben. Aus der Forschung weiß man daher, dass Teams dann Hochleistung bringen, wenn sie eine sogenannte emotionale Sicherheit leben.

Emotionale Sicherheit

Denn Menschen vermeiden in Organisationen oft Fragen zu stellen, Dinge kritisch zu sehen oder konstruktiven Widerspruch zu äußern, weil sie Angst vor Zurückweisung haben oder nicht beschämt werden wollen. Das ist einer der Grundängste von Menschen, denn die Folgen sind Abwertung, Scham und Minderwertigkeit. Fürchten MitarbeiterInnen sich davor, Fragen zu stellen oder neue Dinge einzubringen, weil sie von Kollegen/Innen als inkompetent betrachtet werden könnten, wird das Team keine neuen Impulse mehr identifizieren und an ihnen arbeiten können. Denn MitarbeiterInnen müssen Vertrauen haben  und sich sicher fühlen, bestimmte Risiken eingehen zu können – und zwar ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Dann bringen Teams auch Höchstleistungen, wenn diese emotionale Sicherheit gegen ist und jeder so sein darf, wie er ist.

Peer Counceling

Wenn emotionale Sicherheit gegeben ist, dann bieten kollaborative Tools wie  z.B. das Peer Counseling sehr gute Möglichkeiten, ein stärkendes und förderndes soziale Umfeld zu schaffen, das bei der Lösung von Problemen hilfreich ist. Beim Peer Counseling kommen MitarbeiterInnen und Führungskräfte aus unterschiedlichen Abteilungen zusammen und bringen ihre Themen ein. Ziel ist es, sich zu einem übergreifenden Thema selbstorganisiert auszutauschen, voneinander zu lernen und Orientierung zu finden.

  • Ablauf (genauer Ablauf im sog. Pathfinder, der im April vorgestellt wird)

Im besten Fall formt sich diese Gruppe ( 3 bis 5 Personen) über einen Zeitraum von 3 Monaten, um im 2 Wochen Rythmus strukturiert und schöpferisch sich online oder offline auszutauschen. Am Anfang werden die Rollen des Moderators bzw. der Moderatorin, des/der Fragestellenden und der Beraterinnen vergeben.

Der bzw. die Fragestellende schildert sein bzw. ihr Thema/Problem/die Frage so anschaulich wie möglich, damit die Beraterinnen besser verstehen, um was es geht. Die BeraterInnen hören nur zu. Verständnisfragen dürfen gestellt werden.

Nun hört der/die Fragestellende nur zu und die BeraterInnen stellen erste Hypothesen auf, um die Ursachen für die Fragestellung besser zu verstehen. Sie erarbeiten erste Lösungsansätze und Handlungsalternativen. Wichtig dabei ist, dass der/die Fragestellende nur zuhört, nichts kommentiert oder sich sonst wie verbal äußert. Das ist schon eine erste sehr wichtige Erfahrung, zuzuhören ohne zu bewerten und vielleicht dabei schon erste völlig neue Wahrnehmungen zu machen.

Nachdem der/die Fragestellende nur zugehört hat, endet die erste Phase und nun darf sich der/die Fragesteller wieder einbinden. Wichtig dabei ist es, immer konkrete Zeitvorgaben einzuhalten, damit die Dialoge zu einem Ergebnis führen. Der/die Fragestellende erörtert dann gemeinsam mit den BeraterInnen die verschiedenen Handlungsalternativen und entscheidet sich für ein ganz konkretes Feldexperiment.

Feldexperiment als Herzstück des Peer Counceling

Um starre oder verfahrene Muster aufzulösen, reichen Analysen und Interpretationen nicht. Was zählt, sind Erkenntnis und Bewusstheit, die nur durch Selbstreflexion gelingen können. Dabei sind sogenannte Feldexperimente sehr effektive Möglichkeiten.

Beim Feldexperiment bekommt der/die Fragestellende einen sehr konkreten Arbeitsauftrag, der das Ziel hat eine konkrete Handlungsoption auszuprobieren. Dieses Experiment wird gemeinsam zwischen Fragestellendem bzw. Fragestellender und BeraterInnen definiert und vereinbart. Für das Feldexperiment  gelten folgende Parameter:

-       Freiwilligkeit: Es darf nicht verordnet oder erzwungen werden, sondern die Rahmenbedingungen müssen gemeinsam erarbeitet werden.

-       Ganz konkrete Handlung: Das Feldexperiment muss im persönlichen Handlungsspielraum des/der Fragestellenden liegen (z.B. ein Gespräch, …).

-       Messbarkeit: Zeitrahmen und Überprüfbarkeit müssen festgelegt werden ( „Wer“, „Wie“, „Was“, „Wann“).

-       Risiko: Beim Feldexperiment wird Risiko eingegangen, ich probiere etwas aus.

Je nach Form des Feldexperiments wird ein bestimmter Zeitraum vereinbart. Wichtig ist, dass der/die Fragestellende seine bzw. ihre Erfahrungen oder Wahrnehmungen gut dokumentiert oder sich erinnert. In den nächsten Runden des Peer Counceling kommt die Gruppe zusammen und der/die Fragestellende berichtet von seinen bzw. ihren Erfahrungen. Die BeraterInnen hören zu, nehmen wahr und sind so wieder eine Art von Resonanzboden für den/die Fragestellende. Bei gutem Verlauf gibt es Einsichten und Erkenntnisse auf Basis der gemachten Erfahrungen. Es kann aber auch sein, dass das Feldexperiment in einer adaptierten Form auf Basis der bisher gewonnenen Erkenntnisse wiederholt wird.

Praktisches Beispiel:

Eine Dienstellenleiterin  im Landesdienst leitet diverse Behördenverfahren im öffentlichen Bereich. Bei einem  Paragraphen eines Landesgesetzes, den sie ständig anwenden und für ihre Entscheidungen auslegen musste, gab es erheblichen Spielraum, der zu massiven Rechtsunsicherheiten führte. Für das Feldexperiment wurde vereinbart, an die zuständigen Rechtsgebungsinstanzen  der Landesregierung, den Landeshauptmann und den Landtag zu schreiben, um darauf hinzuweisen. Das Risiko war, dass die Frau von ihrem Vorgesetzten zurechtgewiesen würde, was aber nicht geschah. Das Ergebnis war der Beginn eines längeren Prozesses, der letztlich zu einer Gesetzesänderung geführt hat.


Fragestellende und BeraterInnen öffnen sich gleichermaßen für das „Neue“, indem sie sich und die anderen vollkommen wahrnehmen, in sich hineinspüren und von innen etwas „Neues“ entstehen lassen (auch presencing genannt) Die BeraterInnen konzentrieren sich auf das Wahrnehmen und Fühlen; sie vermeiden vorschnelles Interpretieren und Analysieren. Dann werden die Rollen gewechselt, damit jeder einmal die Rollen der anderen einnimmt.

Im Sillicon Valley haben wir bei unseren Learning Journey’s sogenannte Meet Ups kennengelernt, Menschen unterschiedlichster Branchen kommen hoch energetisch zusammen, um gemeinsam an persönlichen Fragestellungen zu arbeiten. Wenn man das nicht erlebt hat, kann man sich das schwer vorstellen. Wahrscheinlich eines der Erfolgsrezepte im Tal am anderen Ende der Welt.

„So sein wie man ist“ bedeutet das kostbare Gut, sich mit anderen Menschen in einer Form zu verbinden, das Wachstum, Entwicklung und Orientierung ermöglicht. Wenn man das einmal erfahren hat, macht man auch die beglückende Erfahrung, dass Entwicklung mit anderen unfassbar viel Freude machen kann.

Autoren: Romina Klammer, Manuela und Werner Sattlegger

 Buchtipp:

Werner Sattlegger, “Die Kunst reifer Führung”

Podcast zum Anhören

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Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.