Rekordinvestitionen in neue Technologien
Als im März 2020 der Corona Virus die globale Wirtschafte lahmlegte, prognostizierten viele ein “great unwinding“, einen wirtschaftlichen Niedergang kolossalen Ausmaßes. Innerhalb einiger Monate drehte sich aber das Blatt zu einem Investitionsboom epischen Ausmaßes.
Risikokapital in Rekordhöhe hat seinen Weg in neue Unternehmen gefunden, die nächsten Techgiganten entstehen gerade, disruptive Technologien werden unser Leben verändern. Österreich hat zwar mit Bitpanda und GoStudent “Einhörner” bekommen, trotzdem scheinen wir hier zu Lande das Potential von Startups nicht zu erkennen. Unternehmerfeindliche Stimmung, Mutlosigkeit und schlechte Rahmenbedingungen in einer von Beamtenmentalität geprägten Gesellschaft lähmen Pioniergeist und verhindern das Neue. Populismus, Bürokratisierung und ein völlig überholtes, starres Bildungssystem verhindern in Österreich mutige Visionen in Form von Moonshots. Dabei werden jetzt die Weichen für die Zukunft gelegt, darum geht es in diesem Beitrag.
Investitionsfeuerwerk in Technologien
Venture Capital, auch Risikokapital genannt, fließt in Unternehmen und Startups, um Entwicklung zu ermöglichen und zu beschleunigen, sie sind Wetten über zukünftiges Wachstumspotential. Aus diesem Grund sind Investitionsrunden gute Indikatoren über technologische Entwicklungen und Trends, die unsere Wirtschaft beeinflussen werden. Und das werden sie, wenn man die aktuellen Rekordsummen ansieht.
Im letzten Jahr stiegen globale Investitionen auf 643 Milliarden US-Dollar, verglichen mit 335 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 – ein Wachstum von 92 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Vor weniger als einem Jahrzehnt lagen die jährlichen globalen Investitionen noch deutlich unter 100 Mrd. USD. So wurden im Jahr 2012 weltweit weniger als 59 Milliarden US-Dollar investiert, seit 2018 sind die weltweiten Finanzmittel um das Fünffache gegenüber 2012 gestiegen - ein Feuerwerk an Investitionen.
Dieser Aufschwung wurde durch mehrere Faktoren befeuert: niedrige Zinsen, hohe Liquidität, viel Geld das nach Investitionen sucht und der Notwendigkeit, Geschäftsprozesse effizienter zu gestalten.
Veränderung von Risikokapital
In 2002 waren 84% aller Risikokapitalaktivitäten weltweit in den USA, heute sind es nur mehr 49%. China holte stark auf, von 5% in 2000 auf 37% in 2018, im letzten Jahr wieder unter 20% (Quelle Economist). Der Trend ist auffällig: Die jahrzehntelange US-Dominanz im Venture Capital-Sektor geht zurück.
Und mehr als 1,2 Milliarden Euro floss in österreichische Start-ups. Das ist ein absoluter Rekord, das fast Vierfache der Investitionssumme, die rot-weiß-rote Start-ups im Vorjahr 2020 erhielten. Damit ist heuer mehr Risikokapital geflossen als in allen Jahren seit 2015 gesamt, über 90% flossen nach Wien, gefolgt von Oberösterreich und Steiermark, die restlichen Bundesländer spielen fast keine Rolle.
„It is never been a better time being an entrepreneur” (Ali Partovie, VC based company in San Francisco). Nicht nur billiges Geld, sondern professionelleres Know -How, SAAS Technologien oder Akzeleratoren erleichtern Startups den Zugang zu Kapital von Fondsunternehmen. So führten Softbank Vision Fund und Tiger Global die Liste der weltweit größten Lead-Investoren in Risiko- und Wachstumsrunden an. Y Combinator war mit 642 Deals im letzten Jahr der geschäftigste Investor nach Rundenzahl, gefolgt von dem konkurrierenden Startup-Accelerator Techstars. All diese Insitutionen sind nun global via Zoom leicht zugänglich, ebenso Onlineschulungen oder Meetings.
In welche Technologien wurde 2021 investiert?
Allen voran sind es Finanzdienstleistungen und Fintechs, der größte Zuwachs im Jahresvergleich als jeder andere Sektor, gefolgt von Gesundheitswesen, E-Commerce und Transportwesen. Die größten Finanzierungsrunden im letzten Jahr waren :
-Cruise, Investition von 2021 für 2,75 Mrd. Dollar. Das Unternehmen stellt selbstfahrende Elektorautos her. Mit dem neuen Geld stieg die Bewertung des von General Motors unterstützten Startups für selbstfahrende Autos auf mehr als 30 Milliarden Dollar.
Bedeutung: Im September 2021 erhielt Cruise vom kalifornischen Department of Motor Vehicles die Genehmigung, fahrerlose Taxifahrten in diesem Bundesstaat anzubieten. Die Genehmigung erlaubt es dem Unternehmen, den Service ohne Sicherheitsfahrer anzubieten.
-Rivian, Invesitionen für 2021 in der Höhe von 2,65 Mrd. Dollar. Das Unternehmen wurde von Robert "RJ" Scaringe als junger Techniker im Jahr 2009 gegründet. Rivian ging 2021 an die New Yorker Technologiebörse und nahm 11,9 Milliarden US-Dollar Kapital auf, was den Börsengang zum größten des Jahres 2021 machte. Mit mehr als 70 Milliarden Dollar Börsenwert zählt Rivian zu den wertvollsten Autobauern der Welt. Bis zum Börsengang hatte das Unternehmen lediglich 56 Elektro-Pick-ups der Modellreihe R1T produziert, wohl aber seit Beginn des Jahres 2020 rund zwei Milliarden Dollar Verlust verzeichnet.
Bedeutung: Rivian ist große Konkurrent von Tesla, muss aber erst beweisen, dass es Autos in großer Menge herstellen kann.
-Robinhood, Investitionen für 2021 in der Höhe 2,4 Mrd. Doller: Robinhood wurde 2013 von Vladimir Tenev und Bajiu Bhatt gegründet, die sich als Studenten an der Uni Stanford kennenlernten. Sie wollen den Finanzmarkt "für alle zu demokratisieren", Wertpapierhandel per App auf dem Handy, mit nur ein paar Fingertipps Aktien kaufen und verkaufen – und das ohne Gebühren.
Bedeutung: Umstritten ist insbesondere das unternehmerische Konzept des Brokers und der leichte Zugang zum Trading. Robinhood nimmt keine Gebühren von Nutzern, sondern verdient an der Vermittlung von Transaktionen an Hochfrequenztrader.
-Generate Capital, 2 Mrd. Dollar : Das 2014 gegründete Unternehmen Generate befindet sich an der Schnittstelle zweier heißer Investitionstrends - saubere Energie und Infrastruktur. Das Unternehmen baut, besitzt und betreibt Infrastrukturen, die mit Nachhaltigkeit zu tun haben, wie z. B. Batteriespeicher und industrielle Solaranlagen.
Bedeutung: Investitionen in grüne Technologien stehen erst am Anfang.
-Databricks, Investitionen in 2021 in der Höhe von 1,6 Mrd. Dollar. Es entwickelt Tools und Produkte, mit denen Unternehmen sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten an einem einzigen Ort einsehen können, ohne zwischen verschiedenen Systemen hin- und herwechseln zu müssen - ein sogenanntes "Data Lakehouse".
Bedeutung: Daten analysieren, strukturieren und evaluieren, egal in welchem Bereich, das ist der Rohstoff der Zukunft.
-Articulate Global, Investitionen in der Höhe von 1,5 Mrd. Dollar. Das Unternehmen bietet E Learning Lösungen an und betreut alle Fortune-100-Unternehmen. Zu den Kernanwendungen gehört Articulate 360 für die Erstellung von Schulungskursen, die Unternehmen ins Internet exportieren oder im Lernmanagementsystem (LMS) hosten können. Das Unternehmen ist derzeit mit 3,75 Milliarden Dollar bewertet.
Bedeutung: Organisatorisches Lernen wird einer der wichtigsten Entscheidungsfaktoren über Erfolg sein, die nächsten digitalen Disruptionen stehen vor der Tür.
Fintechs: Der Finanzdienstleistungssektor war im Jahr 2021 mit 134 Milliarden US-Dollar der führende Sektor für Risikokapitalinvestitionen, was einem satten Wachstum von 177 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Beispiele dafür sind Brex, Ramp und Jeeves die Innovationen entwickeln, die Unternehmen helfen, die Kontrolle über die Ausgaben ihrer Mitarbeiter zu gewinnen. Oder das Bauen ist z.B. noch immer teuer und ineffizient, so werden Projektmanagement-Software, die Tabellenkalkulationen und E-Mails ersetzt, wie Bridgit, immer mehr in Prozesse der Bauindustrie eingesetzt, um die Bauvorbereitung, Arbeitsabläufe und das Finanzmanagement zu digitalisieren.
Auswirkungen auf etablierte Unternehmen
Dieser rasante Anstieg an Risikokapital hat signifikante Auswirkungen auf unser globale Wirtschaft. War doch Risikokapital einer der wichtigsten Treiber für neue Unternehmen in den letzten Jahrzehnten, 7 der 10 aktuell größten Unternehmen wurden überhaupt erst durch Risikokapital ermöglicht. Sei es die Entwicklung von Suchmaschinen oder Smartphones, Elektroautos, vor allem die Entwicklung von COVID Impfungen.
Für Traditionsunternehmen wird dieser Investitionsboom massive Folgen haben. Sie müssen sich auf weiter steigenden Wettbewerbsdruck von gut finanzierten Startups mit globalen Ambitionen einstellen. Digitalisierung und Daten werden immer größerer Bestandteil auch industrieller Wertschöpfung – eine große Chance für UnternehmerInnen mit neuem Blick auf alte Industrien. Bekanntestes Beispiel: Tesla. Nicht General Motors oder Toyota wurden zum größten Herausforderer von Daimler, BMW und Volkswagen, sondern der anfangs belächelte Aufsteiger aus den USA.
Gefahren der aktuellen Entwicklung
Erinnern wir uns an die Dotcomblase 2001, eine Internetseite reichte und schon wurde das Füllhorn ausgeschüttet. Goldgräberstimmung, Gier oder Überheblichkeit waren die Folge, was zu massiven Überbewertungen und schließlich zum Kollaps führte. So schreibt etwa aktuell das Handelsblatt von einer möglichen Einhornblase, da einige milliardenschwere Start Ups massiv überbewertet sein könnten.
Manche Investoren leiden unter “FOMA” (the fear of missing out), einer Angst etwas zu versäumen und damit Unternehmen mit Geld zu überfluten. Die Folge können Überheblichkeit und Größenwahn sein, wie uns der Fall von Elisabeth Holmes (Theranos) zeigt. Sie wurde gerade wegen Betrug in 4 Fällen schuldig befunden, da sie ihre Investoren getäuscht hat.
Auf alle Fälle werden die aktuellen Investitionen in den kommenden Jahren unsere Wirtschaft massiv verändern, in Richtung Digitalisierung und Datenverarbeitung. Lösungen im Medizinbereich, im Transportwesen oder Biotechnologie, werden unser Leben massiv verändern, meiner Meinung nach zum Guten. Unsere Finanztransaktionen werden transparenter, unsere Prozesse effizienter.
Bedeutung für Österreich
In Österreich wechseln wir Bundeskanzler aus, starren auf Infektionszahlen, streiten über Impfpflicht, schwurbeln, demagogisieren oder demonstrieren auf der Straße. Was ich aktuell sehr vermisse sind kraftvolle Zukunftsvisionen, eine vibrierende Startup Mentalität, eine Energie die in Möglichkeiten denkt, mit “Moonshots” das Unmögliche zu wagen. Bei unseren Zukunftsreisen lernen wir diese “Moonshots”, von einer fernen Zukunft her zu denken und zu handeln, um nicht Entwicklungen zu verschlafen. Die Welt dreht sich schnell, das Tempo der Entwicklungen ist rasant, die “Bewahrungsmentalität” in Österreich reicht dafür nicht.
Das wäre sehr schade, denn wir leben in einem wunderbaren Land, wie der aktuelle Investitionsboom zeigt auch in einer Zeit voll unfassbarer Möglichkeiten. Jetzt werden die Karten neue verteilt, nehmen wir diese Gelegenheit und legen wir jetzt die Weichen für unsere Zukunft, indem wir investieren, gestalten und Unternehmen gründen.
Was nicht nur sinnvoll ist, sondern am Ende des Tages auch unfassbar viel Spaß macht.
Autor: Mag. Werner Sattlegger, Founder Art of Life
Zukunftsreise in das Silicon Valley, 27. Juni - 01. Juli, 2022
Literatur:
Werner Sattlegger, “Die Kunst reifer Führung”, 2022
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Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life
Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.
