Wie starre Unternehmenskulturen lebendig werden

Leitbilder, Kulturprogramme oder Wertekanon, egal was, die Versuche die eigene Unternehmenskultur zu entwickeln und zum blühen zu bringen, die haben oft eines gemeinsam: sie scheitern. Auf was fast immer vergessen wird, wie Sie als Führungskraft die Unternehmenskultur wirksam verändern und lebendig machen können, darum geht es in diesem Beitrag.

Geschichte der Unternehmenskultur

Schon sehr früh – bereits in den 1930er-Jahren – wurde als Teil der Ethnologie, deren Hauptforschungsgebiet menschliche Kulturen sind, Unternehmenskultur erforscht. Die Managementforschung dagegen stieß erst in den 1970er- und 1980er-Jahren auf das Thema Unternehmenskultur. Bis dahin war im Management der Geschäftserfolg stark vom Taylorismus[1] geprägt, sprich man musste mechanisch, verstandesorientiert und zahlenbasiert sein. Der Mensch mit seinen Interessen, Bedürfnissen, Ängsten oder Gefühlen spielte darin keine Rolle. Das änderte sich mit dem großen Erfolg der japanischen Wirtschaft schlagartig und man begann vor allem in den USA zu untersuchen, was es damit auf sich hatte.

Was ist eine Unternehmenskultur ?

Eine Unternehmenskultur ist die Summer aller Handlungen in einem Unternehmen oder Organisation, diese bildet sich im Laufe der Zeit auf der Basis der gemachten Erfahrungen, Handlungen oder stillen Übereinkünfte heraus. Und zwar, ohne dass darüber oft formal entschieden worden wäre. Diese Kultur ist erfahrbar im täglichen Umgang, in der Kommunikation, in den sozialen Beziehungen, wie wir mit Kunden und Mitarbeiter umgehen, all das bildet die Unternehmenskultur ab.

Unternehmen und Organisationen haben in den letzten Jahren in Leitbilder versucht, diese Kultur abzubilden, was nicht zu selten gescheitert ist. Zu oft gibt es eine Abweichung zwischen dem geschriebenen Wort und de gelebten Handlungen, was Mitarbeiterinnen sehr frustriert. Daher taucht in Unternehmen immer wieder die Frage auf: „Kann ich diese Kultur auch verändern, und wenn ja, unter welchen Bedingungen?“ Dabei gibt es verschiedene Zugänge und Meinungen:

·      Ich kann Kultur verändern:

Eine Lehrmeinung geht davon aus, dass Kultur neben Strategie oder Planung eines von vielen Elementen von Organisationen und daher auch jederzeit veränderbar ist. Das bedeutet auch, dass man sich dafür bewusst entscheidet und Kultur als Variable in einem organisationalen System auch verändern oder bewusst gestalten kann.

·      Ich kann Kultur nur schwer verändern:

Da Kultur sich jedoch über Jahre hinweg aus dem Erfahrungswissen der Organisation herausbildet und sich in weiten Teilen in unbewussten, impliziten Überzeugungen, Werten und Normen manifestiert, lautet eine andere Lehrmeinung: Kultur ist eine sozial produzierte Wirklichkeit und daher nicht beeinflussbar.

Allerdings gibt es auch eine Position dazwischen, der zufolge es durchaus Möglichkeiten gibt, Organisationskultur bis zu einem gewissen Grad zu beeinflussen und einen organisationalen Wandel herbeizuführen, auch wenn Kultur keine beliebig gestaltbare Variable ist. Kulturveränderung müsste theoretisch beim Individuum beginnen – vor allem bei dessen Einstellungen, Überzeugungen und Haltungen, letztlich also dem Kern von Kultur.

Meiner Erfahrung nach ist das Problem, dass Überzeugungen, Haltungen oder Motive so ziemlich das Letzte sind, was ein Mensch aufgeben oder verändern möchte. Oft sind sie einem nämlich nicht bewusst, weil sie im Unbewussten liegen, sehr alt sind und nicht selten frühkindliche Wurzeln haben. Aus diesem Grund sind diese Muster, Überzeugungen oder Glaubenssätze – auch Introjekte genannt – auch sehr schwer erreichbar und veränderbar.

Leitbilder und Kulturprogramme

Wenn ein Unternehmenskulturwandelprozess stattfinden soll, gehen Unternehmen meistens wie folgt vor:

Führungskräfte lesen in einem Magazin oder stellen in Gesprächen fest, dass man etwas mit der „Kultur tun müsse“. Eine falsche Kultur führe zu Fehlern, daher müsse etwas unternommen werden. Es werden Workshops und Seminare mit externen BeraterInnen organisiert, in denen Führungskräfte und MitarbeiterInnen für das Thema Fehlerkultur sensibilisiert werden und einen guten Umgang mit Fehlern erlernen sollen.

Eine Annahme dabei ist, dass eine „Sollkultur konstruiert werden kann“, und mit dieser Idee werden diverse Aktivitäten auf den Weg gebracht. Zunächst definieren Führungskräfte und MitarbeiterInnen eine wünschenswerte Zielkultur in Abgrenzung zu einer Ist-Kultur.  Die neue Zielkultur ist derart gestaltet, dass man überzeugt ist, dass sie besser als die bisherigen geeignet sein wird, die Zwecke der Organisation zu erfüllen. Es werden neue Werte und auch Verhaltenscodices festgelegt: „Wir reden ab heute offen über das Scheitern, Wir sind kundenfreundlicher“ usw.

Warum scheitern diese Programme? 

Die meisten dieser sehr engagierten und bemühten „Kulturprojekte“ scheitern meiner Erfahrung nach, weil sie von den MitarbeiterInnen nicht mitgetragen werden. Sie werden weder in den Formalstrukturen verankert, noch werden die Widerstände der MitarbeiterInnen ernst genommen. Die MitarbeiterInnen fühlen oft sich für dumm verkauft, da die Unternehmenswerte oft den tatsächlich gelebten Organisationsrealitäten widersprechen. Am schlimmsten wird es, wenn Kultur in Leitbildern auf Hochglanzfolien verordnet wird, ohne Realitätsbezug.

Das bedeutet: Bei jedem Projekt zur Veränderung der Formalstruktur müssen von vornherein systematisch die Auswirkungen auf die informalen Regeln der Zusammenarbeit mitbedacht werden.

Reine Projekte zur Kulturentwicklung gehören dagegen schlichtweg abgeschafft. Sie schaden mehr, als dass sie nützen. Jede Veränderung der Formalstrukturen hat Auswirkungen auf die Kultur, auf die Art und Weise, wie im Unternehmen miteinander umgegangen und nach welchen Spielregeln gespielt wird.

Unternehmenskultur ist die Basis unserer Zusammenarbeit im Organisationsalltag, diese kann weder verordnet noch an Berater delegiert werden. Kultur ist die Summe unserer Handlungen, die wir jeden Tag im Unternehmen leben. Um diese zu entwickeln, dafür braucht es einen langen Atem, Vertrauen, Geduld und das Wissen, dass Führungskräfte Vorbilder sind, ob sie wollen oder nicht. Das erfordert ein reifes Führungsverhalten, ein echtes Interesse an Beziehungen und Menschen.

Dann kann man am Ende des Tages auch die Erfahrung machen, dass wir keine Leitbilder oder Kulturprogramme brauchen, sondern eine lebendige Unternehmenskultur organisch aus reifen Beziehungen entsteht, was viel Freude bereitet.

Empfehlungen:

Online Buchlesung; “Praxis reifer Führung”, Donnerstag, 21. April, 2022

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Lernreisen,um andere Kulturen kennen zulernen

[1] Als Taylorismus bezeichnet man das vom US-Amerikaner Frederick Winslow Taylor (1856–1915) begründete Prinzip einer Prozesssteuerung von Arbeitsabläufen.

Werner Sattlegger, Founder Art of Life

 

Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.