Skill gap - learn how to learn

Freude am Lernen entwickeln

Ein Kind ist kein Gefäß, dass gefüllt, sondern ein Feuer,
das entzündet werden will.
(F. Rabelais)

Homeschooling, fehlende Schulstrategie oder behäbige Bürokratie, wie kein anderer Bereich stößt das Bildungssystem in der Pandemie an seine Grenzen. Eltern die ihre Kinder betreut wissen wollen, damit sie arbeiten gehen können. Lehrer, die sich von der Bürokratie ohne Vorgaben im Stich gelassen fühlen und vor allem Schüler, die endlich einmal eines haben wollen: Klarheit und Planbarkeit.

Neben diesen aktuellen Widrigkeiten vergessen wir aber den Wandel, der in unserem Bildungssystem notwendig ist, wollen wir die nächsten Jahren nicht den Anschluss verlieren. Denn die technologischen Entwicklungen in Künstlicher Intelligenz schreiten nicht nur unvermindert voran, sondern wir bilden noch immer “am Markt vorbei” aus und vergrößern so den “skill gap”. Denn was Menschen in Zukunft benötigen, ist ganz etwas anderes, als was nun gelehrt wird. Das hat massivste Auswirkungen auf Unternehmen und Organisationen, was wir aber nun tun können, darum geht es in diesem Beitrag.

Versagen des Bildungssystems

Die Unfähigkeit unserer Systeme Bildung sinnvoll und effektiv zu ermöglichen, zeigt sich gerade zu Beginn des neuen Jahrs. Obwohl wir schon viel Erfahrungen in der Pandemie haben, gibt es noch immer keine langfristigen Strategien. Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu wissen, dass erst eine weitreichende Impfrate die Lage beruhigen wird. Verpflichtende Selbsttests, Maskenpflicht und vor allem eine langfristige Strategie, um Bildung in Hybridform zu ermöglichen - eine Mischung aus Online und Präsenzunterricht - das wäre jetzt das Gebot der Stunde. Ohne politische Spielchen auf den Rücken der Kinder.

Bildungssysteme im Umbruch

Ich kenne viele LehrerInnen, die sich redlich bemühen und sehr engagiert sind, aber irgendwann vom „System einkassiert“ werden. Denn es gibt auf der anderen Seite LehrerInnen, die das System schamlos ausnutzen, als „Wanderpokale“ wegen Unfähigkeit von Schule zu Schule gereicht werden, weil sie keiner haben will.  

Alle Bemühungen scheitern am System Schule, das sich aus Bürokratie, Unbeweglichkeit,  Gewerkschaften, politische Seilschaften und Günstlingstum speist, die oft nicht die Entwicklung unserer Jugend im Zentrum der Bemühungen hat. Das mag in guten Zeiten nicht auffallen, aber in Krisenzeiten fallen uns diese dysfunktionalen Entwicklungen auf den Kopf.

Gleichzeitig ist die Welt im radikalen Umbruch, die Hälfte der Jobs von heute wird es in 10 Jahren nicht mehr geben. Repetitive und „Dienst nach Vorschrift“ Tätigkeiten werden von Künstlicher Intelligenz ersetzt werden. Überall wo Daten intelligent verarbeitet werden, kann Machine Learning dies schneller und fehlerfreier. All das sind keine Raketenwissenschaften, jeder weiß das, Banken oder Versicherungen sind erst der Anfang, keine Branche wird davon verschont bleiben. 

Unsere Schulen wurden aber nicht für den Umgang mit Umbrüchen gegründet: sie stammen aus einer Zeit der Monarchie, um Kinder zu disziplinieren und funktionalisieren. Vorbereitung auf „Dienst nach Vorschrift“, damit preußischen Tugenden verinnerlicht werden und für die späteren Berufe in Militär, Verwaltung oder Industrie zur Verfügung stehen. So stehen nach wie vor kognitive Wissensvermittlung ganz oben auf den Lehrplänen, die in der Digitalisierung von geringer Bedeutung sind.

Andere Skills sind notwendig

Der aktuelle digitale Wandel bedeutet, dass wir als Menschen lernen müssen, wie man in der Unsicherheit den Wandel gestaltet kann, mutig Neues in die Welt bringen, die Kunst der Kooperation in qualitätsvollen Beziehungen zu beherrschen, vor allem die Fähigkeit, kreativ Probleme zu lösen. Wissensvermittlung, wie heute in der Schule noch praktiziert, greift viel zu kurz. Denn vieles wird Künstliche Intelligenz ersetzen können, nur nicht die menschlichen Fähigkeiten wie Kreativität, Empathie und Beziehungsfähigkeit. 

Das Leid vieler Schüler

Immer mehr Studien belegen die psychischen Auswirkungen dieser Spannungsfelder, die viele Jugendliche krank machen. Die „PISA-Ergebnisse von 2015“ (OECD, 2017) zeigen die Risikofaktoren, wie fehlende Wertschätzung oder Demütigungen durch Lehrkräfte oder MitschülerInnen. Besonders dramatisch dabei ist die Tatsache, dass 23,93 Prozent aller Jugendlichen in Österreich  aktuell an einer psychischen Erkrankung leiden, das sind die zentralen Ergebnisse einer MedUni Wien Studie. Die häufigsten Belastungen sind Angststörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, depressive Verstimmungen sowie EinschlafschwierigkeitenNervosität oder ein allgemein schlechter Gefühlszustand

Freude am Lernen entwickeln

Aus diesen Gründen müssen wir unsere Bildungssysteme nicht nur reformieren, sondern radikal erneuern, wollen wir in Europa nicht die nächsten Jahrzehnte verschlafen. Wir sollten aufhören, unseren Jugendlichen in Unterrichtsstunden die Zeit zu stehlen und “Wissen reinzustopfen”, das sie in der Form nie wieder benötigen werden.  

Wir benötigen aber offene und bewegliche Bildungssysteme, die Adaptionsfähigkeit, Offenheit, Mut, Kreativität und Selbstreflexion bei Schülern entwickeln. Das sind die Eigenschaften, die wir für die zukünftigen Herausforderungen im digitalen Wandel benötigen. Jeder aktuelle „Skill Gap Report“  (Linked In, McKinsey, etc.) bestätigt das.

Lernen ist Freude, jeder der kleine Kinder beobachtet, weiss das. Entwicklung stillt unsere ureigensten Bedürfnisse nach Neugier nach Neuem. Irgendwann im Laufe der Zeit haben wir dies verlernt, denn Erfolg, Ergebnis oder externe Anerkennung wurden wichtiger. Das oft um jeden Preis, wie man an den aktuellen Plagiatsfällen sieht. Wir müssen genau wieder diese Freude am Lernen entwickeln, in einem angstfreien Raum, wo Scheitern als wichtigste Lernerfahrung angesehen wird.

Wir sollten PraktikerInnen als LehrerInnen an die Schulen holen, die das Unternehmertum, Wandel und praktische Problemlösung schon gelebt haben. Wir sollten die Lehrpläne entrümpeln und kollaborative Lernsettings schaffen, wo Schüler agile Arbeitsformen lernen. Vor allem sollten sie lernen wie man lernt. Denn die Entwicklungen gehen so rasant, dass klassische Bildungsangebote wie Schulen, Universitäten oder Workshops einfach überholt sind.

Wir sollten uns dafür nicht zu lange Zeit lassen, denn was wir gerade tun ist Verrat an unseren Kindern zu begehen.

Autor: Werner Sattlegger (CEO & Founder Art of Life)


 
Autor: Werner Sattlegger Founder & CEO Art of Life

Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.