Kunst eines gelungenen Lebens

Kunst eines gelungenen Lebens

 „Per aspera ad astra“ 
 „Durch das Raue zu den Sternen“
(Seneca) 

Aus dem Buch “Die Kunst reifer Führung”, von Werner Sattlegger, hier zum bestellen:

Sei es  Künstliche Intelligenz, disruptive Geschäftsmodelle, Klimawandel, Mutationen von Coronaviren, Populismus und Radikalisierung, Migration, egal wo und was, unsere Welt gerät aus den Fugen. Bestehendes kommt ins Wanken, Neues entsteht, Arbeit und Leben verändern sich gerade grundlegend und radikal. Wie und ob ein gelungenes Leben und gelungene Arbeit möglich ist und was der Unterschied zu Glück ist, darum geht es in diesem Beitrag.

Die moderne Wissenschaft glaubt oft zu wissen, wie man das schnelle Glück und Motivation erfahren kann. In der Forschung “positive Psychology”[1] genannt, werden schnelle Rezepte, Motivationstipps und rasche Lösungen angeboten. Esoterik, Internetgurus und Motivationsbücher überschwemmen den Markt mit einfachen Lösungen.  Da habe ich immer meine Zweifel gehabt, denn ich habe Leben und Arbeit immer anders erlebt.

Glück ist flüchtig, individuell, subjektiv und verändert sich auch ständig. Denn das was heute Glück ist, kann morgen Unglück sein, aber auch umgekehrt. Das was ich in meiner engen Sichtweise als aktuelles Unglück ansehe, kann sich rückblickend oft als großes Glück erwiesen haben.

Ich erlebe gerade in den letzten Jahren den Drang vieler Menschen, im Sinne einer Selbstoptimierung das glatte, leichte und glückliche Leben zu finden. Maximaler Lustgewinn und Schmerzvermeidung, das ist das Ziel aller Selbsthilfebücher und küchenpsychologischer Patentrezepte. Aber das Leben ist oft weder glatt noch leicht, es stellt uns vor Herausforderungen, mit denen wir lernen müssen umzugehen. 

Gelungenes Leben

Ich spreche daher lieber von einem gelungenem Leben im Einklang mit den eigenen Fähigkeiten und Talenten, den eigenen Ressourcen, wo Krisen ein Teil der Erfahrung sind, ein Leben wo ich gestalten und beitrage will. Ein selbstwirksames Leben, dessen Kraft einer inneren Quelle und einem tieferen Sinn entstammt, das nicht dauernd auf Ergebnisse schielt oder irgendwelche  Erwartungen an das Leben  hat, oder die ständig Anerkennung und Bestätigung braucht.  

Das Leben stellt uns vor Herausforderungen, vor schmerzlichen Erfahrungen wie Abschied, Krankheiten, Trennung oder Kündigungen. Diese können wir weder schön reden, noch helfen einfache Lösungen, das Schielen auf “Glück” funktioniert dann umso weniger nicht. Denn die nüchterne Erkenntnis vieler wissenschaftlichen Studien ist auch die folgende: die von vielen Menschen ersehnte Glücksgefühle sind oft nichts anderes als die Ausschüttungen körpereigener chemischer Botenstoffen wie Dopamin oder Serotonin. 

Herausfordernde Zeiten

Die Tränen der Unglücks können später zu Tränen des Glücks werden. In meinem Leben war es oft ähnlich, kurzfristig habe ich gelitten, wenn „mir Dinge passiert sind“, aber langfristig waren diese Entwicklungen manchmal eine Gnade, da sich Dinge zum Besseren entwickelten. So war es auch in der Pandemie, viele Menschen empfinden diese Zeit rückblickend als Chance, das Leben anders zu erfahren, sich auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren oder neue Dinge zu entwickeln.

Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden, ich sehne mich auch nicht nach schlechten Zeiten, aber im Rückblick war eine Krisenzeit für mich oft eine fruchtbare Zeit, Dinge konnten reifen, wenn ich dem nicht im Wege gestanden bin.

Gelungene Arbeit

Arbeit wird oft noch immer gesehen als etwas, das “getan werden muss”, wenn möglich „im Schweiße unseres Angesichts“. Mühe und Härte seien die Bausteine der Arbeit, das ist was man uns in der Schule beigebracht hat. Organisationen behandeln Mitarbeiter daher auch oft noch so, wie kleine Kinder, denen man auf die Finger schauen muss, damit sie keinen Lutscher stehlen. Oder MitarbeiterInnen wird das Blaue vom Himmel versprochen, mit “Karotten” in Form von Incentives und Glücksversprechungen. Aber Arbeit war und ist noch viel mehr, es ist identitätsstiftend, ein Schlüssel zum Zugang zur Gesellschaft und vor allem ist es eine wunderbare Möglichkeit persönliche Talente, Potentiale und Möglichkeiten zum Ausdruck zu bringen. 

Wenn das gelingt, dann kann Arbeit einfach nur mehr beglückend und reine Erfüllung sein. Die gute Nachricht für mich ist die Tatsache, dass es nicht nur möglich ist, sondern sogar unsere Verpflichtung. Und der Weg ist kein einfacher, aber er beginnt immer in und bei einem selber. Und nicht im Schielen nach außen oder im „unbedingt etwas Erreichen wollen“ oder dauernd in Ergebnissen zu denken. 

Um was es wirklich geht

Denn im Leben geht es nicht um einen Haben, sondern um einen Seinszustand. Aus dem Gefühl einer inneren Freude tue ich etwas und nicht umgekehrt, indem ich etwas tue, um dann etwas zu bekommen. Pasqual Brückner (französischer Essayist und Romancier) hat in einem bekannten Beitrag davon gesprochen, dass wir im Zeitalter der Postmoderne zum „Glücklich sein“ verdammt sind. Uns sind alle Sinnkonzepte abhanden gekommen, daher bliebe dem Menschen nur mehr die Möglichkeit sich auf das Glück zu konzentrieren. Und die Kunst das Leben lieben zu lernen ist der Punkt, wo alles beginnt.

Aber wenn wir uns nicht so sehr auf Glück oder Geglücktes konzentrieren, sondern eher auf unser Inneres, auf das was uns interessiert, was uns bewegt, uns letztlich lebendig macht, auf das “was wir zum gelingen bringen wollen” und wir lernen das Leben zu lieben, dann werden Glück oder Resultate weniger wichtig. Aber wir machen dafür eine ganz andere beglückende und fast ekstatische Erfahrung: die tiefe Freude der zu werden, der wir tatsächlich sind. Trotz Krisen und Herausforderungen erleben wir dann die Gnade eines gelungenen Lebens, die Geschenke von Resultaten oder Glück nehmen wir zwar noch gerne an, werden aber nicht mehr wichtig, mehr geht nicht. 

Autoren: Mag. Werner Sattlegger, Founder Art of Life

Werner Sattlegger, “Die Kunst reifer Führung”

Marc Aurel, “Selbstbetrachtungen”

Michele de Montaign, “Von der Kunst das Leben zu lieben”

Pasqual Bruckner, “Verdammt zum Glück. Der Fluch der Moderne” (Essay)